GELSENKIRCHEN/ WATTENSCHEID – „Aufkreuzen für die Gemeinde“ heißt der Slogan zur Kirchenwahl am 5. Februar. An diesem Tag werden die Presbyterien, die Leitungsorgane aller Kirchengemeinden der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), neu gewählt. Mit dem Slogan möchte die EKvW möglichst viele Gemeindemitglieder dazu motivieren, sich an der Wahl zu beteiligen. Trotzdem haben viele gar keine Gelegenheit dazu: Wenn die Zahl der Kandidierenden mit der Anzahl der freien Plätze im Presbyterium übereinstimmt, dann findet keine Wahl statt.
Was die Kirchenordnung vor vielen Jahren als Ausnahmeregelung vorgesehen hat, wird mehr und mehr zum Normalfall. Im Jahr 2012 gibt es in den 15 Ortsgemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid 22 Wahlbezirke. Nur in 5 davon kommt es zum „Aufkreuzen für die Gemeinde“*. Katharina Blätgen sprach darüber mit Superintendent Rüdiger Höcker.
1. Es scheint schwierig geworden zu sein, Menschen zu finden, die im Presbyterium mitarbeiten wollen. Woran liegt das?
Meiner Erfahrung nach liegt es auch daran, dass viele Entscheidungen, die ein Presbyterium gegenwärtig zu treffen hat, jeder Presbyterin und jedem Presbyter ausgesprochen weh tun. Da geht es um das Schließen von Kirchen und Gemeindehäusern, da geht es um personellen Rückbau.
In beiden Fällen treffen diese Entscheidungen häufig auf harte Kritik der Gemeindeglieder und der breiten Öffentlichkeit. Diese Kritik schmerzt, zumal wenn den Presbyterinnen und Presbytern unterstellt wird, sie würden voreilig und ohne wirkliche Notwendigkeit handeln. Es ist schwer zu vermitteln, dass die Evangelische Kirche von Westfalen und gerade auch unser Evangelischer Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid finanziell schwer angeschlagen sind.
Es ist nach unserer Kirchenordnung das Presbyterium, das die Verantwortung für gute Haushalterschaft trägt. Wenn aber die Kassen immer leerer werden, bleiben schmerzhafte Entscheidungen nicht aus.
2. Wer ist eigentlich dafür zuständig, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden?
Die Gemeindeglieder selbst! Unsere demokratische presbyterial-synodale Grundordnung geht davon aus, dass es die Verantwortung eines jeden Gemeindegliedes ist, sich um geeignete Personen für das Presbyterium zu bemühen. Gleichzeitig ist jedes Gemeindeglied, wenn es das 18. Lebensjahr erreicht hat, gefragt, ob es bereit ist, die Verantwortung als Presbyterin oder als Presbyter zu übernehmen.
3. Wenn immer weniger tatsächliche Wahlen stattfinden, sollte man die Kirchenwahl dann nicht einfach abschaffen?
Auf keinen Fall! Wir würden auf einen wesentlichen Baustein unseres Kirchbildes verzichten. Zu diesem Kirchbild gehören gleichberechtigt Frauen und Männer in allen Funktionen auf allen Ebenen. Zu diesem Kirchbild gehört der Aufbau unserer Kirche von unten. Grundlage dieses Kirchbildes von unten sind unsere Presbyterien in ihrer Verantwortung für die Kirchengemeinde vor Ort. Sie entsenden Vertreterinnen und Vertreter in die Kreissynode, die den Kirchenkreis leitet. Der entsendet in die Landessynode, dem Leitungsgremium der Evangelischen Kirche von Westfalen. Alle diese Leitungsämter sind Menschen aus unserer Mitte auf Zeit anvertraut. Alle diese Leitungsämter unterliegen den demokratischen Spielregeln und sind der Transparenz und einer breiten Willensbildung verpflichtet.
4. Welche Legitimation haben Presbyterinnen und Presbyter für die Gemeindeleitung, wenn sie gar nicht gewählt worden sind?
Es ist nicht denen anzulasten, die bereit sind, Leitungsverantwortung zu übernehmen, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Wahl keine Gegenkandidatinnen und -Kandidaten haben. Es ist ihnen zuallererst zu danken für ihre Bereitschaft, in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen. Aufgabe von uns allen ist es, in vier Jahren dafür zu sorgen, dass es in jeder unserer Kirchengemeinden zu einer Wahl kommt.
Es ist ein Ehrenamt auf vier Jahre, ein Ehrenamt auf Zeit. Es ist kein einfaches Ehrenamt. Gerade deshalb ist es aller Ehren wert. Das sollten wir nicht vergessen, wenn wir über unsere Presbyterinnen und Presbyter reden, Gemeindeglieder aus unserer Mitte, die sich der Verantwortung stellen.
*Gelsenkirchen: 11 Gemeinden, 18 Wahlbezirke, 4 Wahlen. Wattenscheid: 4 Gemeinden, 4 Wahlbezirke, 1 Wahl