Kurschus: „Keine Waffe allein wird den Frieden schaffen“

Präses und Ratsvorsitzende zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine

Donnerstag, 23. Februar 2023

Kurschus: „Keine Waffe allein wird den Frieden schaffen“

Präses und Ratsvorsitzende zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine

Bielefeld (EKD/EKvW). Zum Jahrestag des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Annette Kurschus zu Friedensgebeten und Unterstützung für die leidenden Menschen in der Ukraine aufgerufen.

„Ein Jahr nach Beginn des Angriffs Russlands ist unsere Solidarität mit den leidenden und kämpfenden Menschen in der Ukraine notwendiger denn je“, so Kurschus. „Die Nachrichten von verletzten und getöteten Menschen dürfen für uns niemals zur Routine werden, sondern müssen uns täglich neu aufrütteln. Jeder Mensch, der in diesem Krieg verletzt, vergewaltigt, verschleppt, getötet wird, ist ein Mensch mit unverlierbarer Würde und bleibt ein einzigartiges Geschöpf Gottes. Das gilt auch für die jungen russischen Männer, die vom russischen Regime zwangsrekrutiert und verheizt werden. Das müssen wir uns gerade in der Passionszeit, die uns an das Leiden Jesu erinnert, - eines Einzelnen, der Gewaltopfer wurde, - immer wieder vor Augen führen“, so die EKD-Ratsvorsitzende.

Neben den erforderlichen Waffen, die den Angreifern zum Schutz der Menschen in der Ukraine und vor weiteren Eroberungen durch die russischen Truppen entgegengesetzt werden müssten, sei deshalb auch eine Strategie für den Weg zum Frieden erforderlich. „Es gibt keine christliche Pflicht zu absolutem Gewaltverzicht. Und doch gilt die Erkenntnis: Keine Waffe allein wird den Frieden schaffen. Der Einsatz von Waffen muss zum Ziel haben, die Waffen zum Schweigen zu bringen“, sagte die Präses.

Kurschus lädt dazu ein, sich am Jahrestag an den zahlreichen Friedensgebeten in den Kirchenkreisen und Gemeinden zu beteiligen: „Lasst uns beten für einen Frieden, in dem gequälte Menschen befreit aufatmen können und erste Schritte in eine neue Zukunft möglich werden.“ Die EKD hatte zusammen mit der Deutschen Bischofskonferenz und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) unter dem Motto #pray4ukraine zu Andachten und Gebeten aufgerufen. Auch in Westfalen finden an zahlreichen Orten zum Jahrestag des Kriegsbeginns Friedensgebete und Andachten statt.

 

Verantwortlich: Wolfram Scharenberg (0521 594-139 oder 0173 5696822)

Krieg und Frieden. Gott und die Welt. Und wir mittendrin.

 

Es ist Krieg in der Ukraine.
Was für viele von uns unvorstellbar war, ist Wirklichkeit geworden: Krieg in Europa. Nicht weit weg. Viele Menschen, die vor Krieg und Zerstörung fliehen und ihr Leben retten, kommen bei uns in Gelsenkirchen und in Wattenscheid an.

Wir sehen die Bilder, hören die Nachrichten und sind geschockt.
Was für ein Wahnsinn! Was für ein Leid!

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ (3. Mose 19,18; Matthäus 5,43) Das ist auch jetzt das Gebot der Stunde.

Der Evangelische Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid freut sich über die große Zahl derer, die diesem Gebot entsprechend handeln. Viele Einzelpersonen und Organisationen – darunter  Diakonie, Kirchengemeinden, Kirchenkreis -  sowie die Kommunen organisieren Hilfe. Die Menschen, die vor dem Krieg fliehen, finden bei uns freundliche Aufnahme. Unbürokratisch. Unvoreingenommen. Wir fühlen mit ihnen. Wir sind solidarisch. Und setzen damit ein Zeichen für Menschlichkeit und gegen diesen Krieg.

Die praktizierte Nächstenliebe verbindet uns auch mit denen, die unseren christlichen Glauben nicht teilen.

Wir hören, dass Jesus in der Diskussion um die Frage, wer denn mein Nächster ist, feststellt: „Liebt eure Feinde!“ (Matthäus 5,44) Diese Zuspitzung hören wir auch in der konkreten Situation als Herausforderung. Dabei kommen wir ins Fragen und stoßen auf Dilemmata.

  • Dieser von Putin geführte Angriffskrieg ist ein Verbrechen. Er ist durch nichts zu rechtfertigen.
  • Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Hochrüstung und Abschreckung haben den Frieden nicht gefördert. Warum investiert die Bundesrepublik nicht viel mehr in wirkliche Friedensförderung?
  • Die Drohung mit Atomwaffen gilt nicht nur den Feinden. Sie kalkuliert das Ende der Zivilisation ein. Und sie macht Tag für Tag konkreten Menschen in Wattenscheid und in Gelsenkirchen Angst.
  • Nicht nur die Feinde werden zu Opfern dieses Krieges. Zu ihnen zählen z.B. jetzt schon die Menschen, die zu den ohnehin Benachteiligten gehören – bei uns und in Entwicklungsländern. Wir dürfen sie in unserem Engagement nicht vergessen.
  • Unser Einsatz für alle, die aus der Ukraine zu uns kommen, darf nicht zu Lasten der Menschen gehen, die aus anderen Gründen zu uns fliehen.
  • Wir bekommen mit, dass die Bilder des Krieges bei denen, die selbst noch den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, traumatische Erinnerungen wachrufen. Sie brauchen Menschen, die zuhören, und Angebote, die zum Reden einladen. Dafür setzen wir uns ein.
  • Wir machen uns Sorgen um die Menschen, die aus Russland zu uns gekommen sind. Wir müssen zwischen ihnen und den Kriegstreibern unterscheiden. Gleiches gilt für alle, die in Russland leben und die Politik ihres Landes nicht unterstützen.
  • Wir freuen uns darüber, dass in unserer Nachbarschaft ukrainische und russische orthodoxe Christ*innen gemeinsam die Opfer des Krieges unterstützen. Sie zeigen, dass ihr Glaube stärker ist als alles, was sie vermeintlich trennt. Sie folgen darin nicht dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, der den Krieg rechtfertigt und Feindbilder stärkt.
  • Das Freund-Feind-Denken wird weder durch Krieg noch durch Sieg und Niederlage beendet. Was dem Frieden zuverlässig dient, sind Diplomatie, Deeskalation und Investitionen in den Frieden.
  • Der Staat hat evangelischem Bekenntnis folgend den Auftrag, „nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen“ (Barmer Theologische Erklärung, 1934). Damit ist staatliche Gewalt von ihrem Ziel her definiert und begrenzt.

Nächsten und Feindesliebe sind u.a. für Christ*innen untrennbar verbunden mit dem Gebot
Du sollst deinen Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft!“ (5. Mose 6,5; Lukas 10,27)

In dem, was wir tun, wird sichtbar, was wir glauben. Beides ist untrennbar miteinander verbunden.

In der gegenwärtigen Situation wird darum nicht nur unser Handeln konkret, sondern auch unser Beten. Es nimmt einen besonderen Ton an:

Wir sagen Gott, was uns die Sprache verschlägt: dieses Leid, dieses Unrecht, diese Sinnlosigkeit. Mit unserer Hilfslosigkeit, die uns mit vielen Menschen verbindet, kommen wir zu Gott. Indem wir beten, ziehen wir ihn in das Geschehen hinein. Wo bist du? Wie kannst du das zulassen? Warum greifst du nicht ein? Du machst dich doch gerade unglaubwürdig als „Gott des Friedens und der Gerechtigkeit“. Damit stimmen wir ein in den Chor biblischer Stimmen, die nichts schönreden – erst recht nicht in der Gegenwart Gottes – und zugleich auf seine Hilfe hoffen, seine Hilfe einfordern.

Uns ist klar: In Dilemma-Situationen kann man nicht alles richtig machen. Aber nichts zu tun, ist keine Option.

Um der Menschen und um Gottes willen protestieren wir mit Taten und Worten.
Gegen den Krieg. Für dessen Opfer.
Wir sind nicht hilflos. Wir sind nicht sprachlos. Wir zeigen Herz.

 

Für den Ev. Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid
Superintendent Heiner Montanus

"Gewalt beenden, dem Hass entgegentreten"

EKD-Kirchenkonferenz nimmt Stellung zum Krieg in der Ukraine

"Die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich [...]ausführlich mit dem Krieg befasst, den der russische Staatspräsident gegen die Ukraine begonnen hat. In einer einstimmig verabschiedeten Stellungnahme bekräftigt die Kirchenkonferenz, der alle leitenden Geistlichen (Bischöfinnen und Bischöfe) und leitenden Juristinnen und Juristen der 20 evangelischen Landeskirchen angehören, ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und verurteilt den völkerrechtswidrigen Krieg und dankt für die Spendenbereitschaft in Deutschland. „Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben.
Das letzte Wort hat der Frieden. Christus ist unser Friede“, so die EKD-Ratsvorsitzende, Präses Annette Kurschus, die das Gremium leitet. "

Die Stellungnahme im Wortlaut finden Sie hier.

Statement der EKD Ratsvorsitzenden Anette Kurschuss

Die Evangelische Kirche in Deutschland verurteilt den russischen Angriff auf die Ukraine:
„Es kommt auf uns an, den leidenden Menschen in der Ukraine, den verängstigten Menschen in unseren Nachbarländern, unsere Solidarität zu zeigen, keine billige, sondern eine, die uns etwas kostet.
Es kommt auf uns an, den Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg stellen, unsere Achtung zu bezeugen. Es kommt auf uns an, den Menschen, die flüchten, zu helfen und ihnen Wege zu öffnen, damit sie ihr Leben retten können.“, so die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus.

Das vollständige Statement finden Sie hier.