Wir werden achtsam sein

Beim Pilgerweg des Interkulturellen Arbeitskreises ging es um das friedliche Miteinander der Religionen

„Schalom – Friede sei mit Euch – Salam aleikum“ – Pfarrerin Kirsten Sowa freute sich, in der Propsteikirche St. Augustinus eine große multireligiöse Gemeinde begrüßen zu können.

„Schalom – Friede sei mit Euch – Salam aleikum“ – Pfarrerin Kirsten Sowa freute sich, in der Propsteikirche St. Augustinus eine große multireligiöse Gemeinde begrüßen zu können.

Sie führten den Pilgerweg gemeinsam an: (von links) Stadtdechant Markus Pottbäcker, Imam Fatih Selim Sevgili, Prädikant Werner Göbelsmann, Pfarrerin Kirsten Sowa und Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. PHOTOS: CORNELIA FIS

Sie führten den Pilgerweg gemeinsam an: (von links) Stadtdechant Markus Pottbäcker, Imam Fatih Selim Sevgili, Prädikant Werner Göbelsmann, Pfarrerin Kirsten Sowa und Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Dass Gelsenkirchen auch anders kann, durften zwei Tage nach der Bundestagswahl die Teilnehmenden am Interkulturellen Pilgerweg erleben. Rund 150 Menschen jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubens versammelten sich am 26.9. in der Propsteikirche St. Augustinus und zogen von dort zur Synagoge und zur Zentralmoschee. Für viele war schon das Betreten der anderen Gotteshäuser ein besonders Erlebnis: Was machen die (katholischen) Christen da mit dem Wasser? Warum gibt es im Eingang zur Synagoge eine Sicherheitsschleuse und was hat es mit der Kippah (kleine runde Kopfbedeckung für Männer) auf sich? Am Eingang zur Moschee war Geduld gefragt: Es dauert seine Zeit, bis 150 Menschen ihre Schuhe ausgezogen und verstaut haben. Auf die Kopfbedeckung für die Frauen verzichteten die Gastgeber. Imam Fatih Selim Sevgili wies auf die starken Gemeinsamkeiten der drei Religionen hin: „Es gibt auf der Erde rund sieben Milliarden Menschen. Vier Milliarden glauben an einen Gott und sind der Überzeugung, dass man nicht stehlen, den Eltern nichts Böses tun und niemanden töten soll.“ Es sei wichtig, dass man seine eigene Religion ausüben könne und andere nicht daran hindere, das ebenfalls zu tun.

Judith Neuwald-Tasbach (Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde) erzählte in der Synagoge von den Festtagen rund um das Neujahrsfest Rosh Hashana, das am 21. und 22. September gefeiert wurde und den Beginn des Jahres 5778 markiert. Das Ergebnis der Wahl am 24.9. bezeichnete sie als „große Tragödie für unser Land“. Die Freiheit der Religion und Kultur sei niemals selbstverständlich. „Wir müssen daran arbeiten, dass uns das erhalten bleibt.“

Stadtdechant Markus Pottbäcker brachte in der Propsteikirche seinen Widerwillen gegen die Wortwahl der ‚Alternative für Deutschland (AFD)’ zum Ausdruck: „Ich mache mir das Vokabular nicht zu eigen, dass wir jemanden ‚jagen’ werden in Zukunft. Wir werden als Christen in dieser Stadt achtsam sein – und ich sage das mit großem Nachdruck unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, unseren Schwestern und Brüdern jüdischen und islamischen Glaubens: Wir werden Acht geben, wie man mit Ihnen und Euch in Zukunft in unserer Gesellschaft umgehen wird.“

Pfarrerin Kirsten Sowa, die Vorsitzende des Interkulturellen Arbeitskreises Gelsenkirchen, begrüßte die multireligiöse Gemeinde in drei Sprachen „Schalom – Friede sei mit Euch – Salam aleikum“. In allen drei Gotteshäusern gab es kurze Lesungen aus den jeweiligen Heiligen Schriften (Bibel, Talmud und Koran) und ein gemeinsames Gebet, das mit drei Anreden begann: „Ewiger – Gott – Allah. Unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung. Gib uns Mut und Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst stolz den Namen Mensch tragen. Amen.“

Zum Abschluss gab es im Augustinushaus Wasser und Brot. „Klingt ein bisschen nach Gefängnis“, sagte Pfarrerin Sowa in der Einladung, „ist aber wirklich lecker." Zu Sesamkringeln und Mineralwasser gab es junge Musik von der Band „A new Experience“ und viel Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. So war bei diesem Pilgerweg die Erfahrung zu machen: Angst vor fremder Religion hat nur, wem die eigene Religion fremd geworden ist.