Wie die Werkstatt vom Verpackungskünstler

Die Evangelische Altstadtkirche ist ihrer Gemeinde lieb – und teuer

Der Altar hat ein Mützchen bekommen und die Orgel eine „Einhausung“ – so der Fachbegriff. Wenn das Wetter mitspielt, werden die Arbeiten Mitte Februar abgeschlossen sein.

Der Altar hat ein Mützchen bekommen und die Orgel eine „Einhausung“ – so der Fachbegriff. Wenn das Wetter mitspielt, werden die Arbeiten Mitte Februar abgeschlossen sein.

Die Altstadtkirche mit ihrem originellen Turm ist ein Wahrzeichen der Stadt Gelsenkirchen. Spenden für den Erhalt werden dankbar angenommen. FOTOS: CORNELIA FISCHER

Die Altstadtkirche mit ihrem originellen Turm ist ein Wahrzeichen der Stadt Gelsenkirchen. Spenden für den Erhalt werden dankbar angenommen. FOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – ‚Leise rieselt der Schnee‘ heißt es im Lied und ‚leise rieselt die Pappe‘ wäre derzeit der passende Text für die Evangelische Altstadtkirche Gelsenkirchen. Denn Pappe ist es, was sich unter den Holzbalken befindet, die man vom Kirchenschiff aus unter der Decke sieht. Die ist nun bröckelig geworden und muss ausgetauscht werden. „Sie stammt ebenso wie die Wärmedämmung dahinter aus dem Baujahr 1956“, erklärte Diplomingenieurin Anke Rosenbaum vom Architekturbüro Harder, das die Arbeiten an der Kirche durchführt. Nun muss der Dachdecker vom Kriechboden zwischen Dach und Holzbalken aus das alte Material herausnehmen und das neue einbringen. „Kriechboden“ ist dabei wörtlich zu nehmen. „An manchen Stellen kann man gebückt stehen, aber zum Rand hin wird es so flach, dass man sich auf den Bauch legen muss“, schilderte Rosenbaum die Arbeitsbedingungen.

Da bei dem ganzen Vorgang die Pappe erst richtig rieseln, wenn nicht sogar regnen wird, musste die Kirche zum 20. Januar geschlossen werden. Inzwischen sieht der Innenraum aus wie die Werkstatt von Verpackungskünstler Christo: Der Altar trägt eine Plastikmütze ebenso wie die Kanzel. „Die Bänke werden auch noch eingepackt", versicherte Küster Frank Zielasko. Ein Team der Firma Schuke hat die fachgerechte „Einhausung“ der Orgel übernommen, damit das gute Stück keinen Schaden nimmt. Wenn alles fertig ist, muss die Orgel nachjustiert werden, denn die Schallverhältnisse werden sich ändern. „Die dunkle Folie, die anstelle der alten Pappe eingezogen wird, ist auch vom Akustiker empfohlen worden“, erklärte Rosenbaum. „Sie trägt dazu bei, dass die hohen Töne nicht mehr so schrill klingen.“

 

Das Dach muss rutschfest sein

Rund vier Wochen werden die Dacharbeiten dauern – sie können erst beginnen, wenn das Dach rutschfest ist, denn der Dachdecker muss durch die äußeren Luken in den Kriechboden hineinsteigen. Einstweilen feiert die Gemeinde ihre Gottesdienste im Gemeindehaus schräg gegenüber an der Robert-Koch-Straße. Wenn sie wieder in der Kirche zurückkehrt, wird sie von der getanen Arbeit nichts sehen können, denn die Decke sieht hinterher genauso aus wie jetzt, „aber sie wird es hören und vielleicht auch spüren“, so Rosenbaum. Neben der veränderten Akustik wird der Energieaufwand für das Heizen nicht nur geringer, sondern auch effektiver sein. Die Lüftungsflügel auf der Empore werden mit Lamellen ausgestattet und von Sensoren gesteuert, so dass sie bei Bedarf Frischluft hereinführen.

 

„Sieht prima aus“

Die Innenarbeiten sind der letzte Teil des ersten Sanierungsabschnittes. Zuvor war die Altstadtkirche (ab November 2012) von außen hübsch verpackt, als rundherum die abgeplatzten Stellen ausgebessert wurden. An drei Seiten beschränkte sich das auf eine überschaubare Zahl, aber die Kirchenfront, die zugleich die Wetterseite ist, musste sehr gründlich hergenommen werden. Hier wurden zusätzlich alle Fugen erneuert, weil eindringende Feuchtigkeit langfristig große Schäden angerichtet hätte. „Das sieht aber auch prima aus“, freute sich Finanzkirchmeisterin Ina Lipinski. Die niederrheinischen Klinker zeigen gerade über dem Portal ein eigenwilliges Muster, das durch den Zahn der Zeit inzwischen recht undeutlich geworden war und nun wieder in alter Frische daherkommt.

 

Trotz aller Sparmaßnahmen wird es eng

Rund 277.000 Euro kostet dieser erste Sanierungsabschnitt. Die Evangelische Kirchengemeinde Gelsenkirchen konnte diesen Betrag noch aus eigenen Mitteln aufbringen, griff dabei allerdings auf bereits erfolgte Sparmaßnahmen zurück wie den Erlös aus dem Verkauf der Orgel in der Auferstehungskirche (entwidmet) und die Rücklage für den Kindergarten an der Gabelsberger Straße (geht in Trägerschaft der Stadt über). Dazu kam die Löschung des Vorkaufsrechts für das Grundstück auf dem Margarethe-Zingler-Platz und eine Entnahme aus der Bauunterhaltungsrücklage.

Ein zweiter Sanierungsabschnitt ist erforderlich, wird aber noch aufwendiger und bringt die Gemeinde trotz aller Sparmaßnahmen der Vergangenheit und Zukunft an ihre finanziellen Grenzen. Der 70 Meter hohe Turm muss saniert werden. „Noch sind keine tragenden Teile gefährdet“, erklärte Rosenbaum, „aber durch schadhafte Klinker und Fugen dringt Feuchtigkeit ein. Die Stahlstifte, die für das Gießen des Betons erforderlich waren, rosten, quellen dadurch auf und der Beton platzt weiter ab.“ Die Sanierung des Turms wird rund 396.000 Euro kosten. „Wir bekommen 30.000 Euro vom Denkmalschutz“, berichtete Ina Lipinski. „Einen Teil können wir aus dem Verkauf des ehemaligen Pfarrhauses an der Kirchstraße abdecken. Den Rest wollen wir durch Spenden aufbringen. Für das, was dann noch fehlt, werden wir unser Kapitalvermögen beleihen müssen. Das darf nicht nachhaltig angetastet werden, sondern wir leihen uns sozusagen selber Geld und müssen es aus dem laufenden Haushalt nach und nach wieder zurückzahlen.“ Harte Zeiten für eine Kirchengemeinde, die eines der Wahrzeichen der Stadt besitzt und erhalten will.

Wer zum Erhalt der Altstadtkirche beitragen will kann dies tun mit einer Spende an den Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid Kontonummer 101 077 238 bei der Sparkasse Gelsenkirchen, Bankleitzahl 420 5000 1, Stichwort „Sanierung Altstadtkirche“.