Ausgestattet mit Zeit, Zollstock und ganz viel Wissensdurst ging es ans Zählen, Dokumentieren, Auswerten und auch immer wieder ans Staunen. Was sich da doch alles auf einem Friedhof mit Gräbern, Gedenksteinen, Kapelle und Urnengrabstätten so tummelt. Am Anfang stand zunächst ein Kennenlernen, sowohl der Teilnehmenden als auch der Forschungsobjekte. Dafür brachte Sara Kehmer, Insektenexpertin der NABU – Naturschutzstation Münsterland umfangreiches Beschreibungs- und Bestimmungsmaterial mit. Neben Bienen, Wespen und Hummeln wartete noch so viel mehr auf die Bürgerforscher.
Auf die Theorie folgte die Praxis. Erster Stopp, der Urnengarten. Zwischen Salbei und Lavendel finden hier immer mehr Menschen ihre letzte Ruhestätte. Und immer mehr Insekten erfreuen sich an der Blütenvielfalt. Nach dem Motto, jedem Tierchen sein Pläsierchen, erobert jede Insektenart hier ein ganz eigenes Biotop, geht zum Beispiel die Gartenwollbiene eine Symbiose mit dem Wollziest ein. „Diese Glockenblume gehört mir,“ scheint nebenan die Glockenblumensägehornbiene zu proklamieren. Die Männchen schlafen öfter mal auswärts, immer dann, wenn die Weibchen dieser Wildbienenart ihre Ruhe brauchen. Und im weichen Blütennest ist es ja auch ganz schön. „So viel Leben auf einem Friedhof! Ich bin erstaunt, wie viele Insekten es hier gibt.“ So wie diesem Teilnehmer ging es wohl allen in dieser Runde. Aber wie viele Insekten sind es denn nun genau? Um dies zu erforschen, steckte jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer für sich ein Stück Blumenwiese mit dem Zollstock ab, ein Meter mal ein Meter, und dann begannen alle zu zählen.
Fünf Minuten Zeit gab es für diese Zollstockmethode, danach wurden die zuvor ausgeteilten Erfassungsbögen zum „Monitoring für blütenbesuchende Insekten“ ausgewertet. Und immer wieder gab Insektenexpertin Kehmer interessante Erläuterungen: „Hier sehen wir eine Mistbiene, die aber gar keine Biene ist, sondern eine Fliege. Schwebfliegen wie diese füllen besondere Bestäubungsbereiche aus.“ Solch ein Biodiversitätscheck wie an diesem Nachmittag in Wattenscheid wird vom BiCK – Team der Evangelischen Landeskirche unterstützt. „Mittlerweile beteiligen sich 27 Friedhöfe aktiv an der Umgestaltung zu mehr Artenvielfalt“, freut sich Carina Völker, die gemeinsam mit Gunnar Waesch das Projekt leitet. Und auch, wenn sich an diesem Nachmittag die Sonne nicht zeigte und der Himmel grau bedeckt war, machte sich unter den teilnehmenden Bürgerforschern Begeisterung breit. „Ich bin häufig hier und finde die Umgestaltung des Friedhofs wirklich toll. So wird ein Friedhof zu einer grünen Oase“, freute sich eine der Teilnehmerinnen, die auch für den Garten zuhause Tipps zur insektenfreundlichen Umgestaltung von diesem Termin mitnahm.
Beim abschließenden Rundgang machte Holger Sense, Leiter der Friedhofsverwaltung, auf einige Aspekte der Umgestaltung zum naturnahen Lebensraum Friedhof aufmerksam. Etwa auf einen Totholzbaum, in dem wenig Tod, aber viele krabbelnde und fliegende Insekten einen Platz gefunden haben.
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Text: Frauke Haardt-Radzik
Fotos: Katrin Oelbracht