Was Pech und Glück eigentlich bedeuten

Am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga gab es einen ökumenischen Fan-Gottesdienst

Abpfiff vor dem letzten Anpfiff: Zum Gottesdienst am letzten Spieltag begrüßten die Pfarrer Ingo Mattauch (links) und Ernst-Martin Barth gut 100 Gäste.

Abpfiff vor dem letzten Anpfiff: Zum Gottesdienst am letzten Spieltag begrüßten die Pfarrer Ingo Mattauch (links) und Ernst-Martin Barth gut 100 Gäste.

Keine Berührungsängste: Der Fan im BVB-Outfit bekam Applaus.

Keine Berührungsängste: Der Fan im BVB-Outfit bekam Applaus.

Nach dem Gottesdienst gab es unter dem Vordach der Matthäuskirche Stärkungen und Fachgespräche vor dem letzten Heimspiel. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

Nach dem Gottesdienst gab es unter dem Vordach der Matthäuskirche Stärkungen und Fachgespräche vor dem letzten Heimspiel. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Ob sie am Nachmittag glücklich sein werden, wussten die gläubigen Schalke-Fans am Morgen des letzten Saisonspiels ihrer Mannschaft noch nicht. Der Ökumenische Gottesdienst, zu dem „Schalke-Pfarrer“ Ernst-Martin Barth gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen Ingo Mattauch, dem S04-Fan-Club „Mit Gott auf Schalke“ und dem Team „Offene Kirche Schalke“ eingeladen hatte, war aber schon ein voller Erfolg. 100 Besucher, darunter viele mit Trikot und Schal, waren in die Evangelische Matthäuskirche gekommen, um gemeinsam den „Abpfiff“ zu feiern.

Die Gottesdienste im Zeichen des Fußballs haben beim Fan-Club „Mit Gott auf Schalke“ schon Tradition. Zum Beginn und Ende einer Saison gibt es einen An- und Abpfiff-Gottesdienst. Der Anpfiff fand in der Schalker Josephskirche statt, wo auch regelmäßig vor jedem Heimspiel Fans zur offenen Kirche eingeladen werden. Der Abpfiff ertönte nun in der Matthäuskirche an der Cranger Straße. Ein mutiger Besucher hatte sich sogar mit einer Jacke des Rivalen aus Dortmund in die Kirche getraut. Doch statt der im Stadion üblichen Pfiffe gab es für den jungen Mann Applaus von den blau-weißen Kirchgängern. „Wir reden gleich mal miteinander“, begrüßte Pfarrer Ernst-Martin Barth, der vor einigen Wochen den Evangelischen Part in der Kapelle der Schalker Arena übernommen hat, den Fan mit einem Augenzwinkern. Ohnehin gibt es unter den christlichen Fans wenig Berührungsängste: Vor den beiden brisanten Spielen lädt „Mit Gott auf Schalke“ seit einiger Zeit zum gemeinsamen Derby-Gottesdienst Dortmunder und Schalker Fans ein.


Nicht alles festhalten und beherrschen wollen

Am letzten Spieltag traten die Schalker nun gegen den abstiegsbedrohten 1. FC Nürnberg an. „Schade, ausgerechnet gegen unsere Freunde“, erinnerte Ernst-Martin Barth an die Fan-Freundschaft zwischen Schalke und dem FCN. Ein Sieg für Schalke würde die direkte Qualifikation für die Champions League bedeuten und gleichzeitig den Abstieg der Nürnberger besiegeln. In seiner Predigt gab Pfarrer Barth deshalb auch Antworten auf die Frage, was Pech und was Glück überhaupt genau bedeuten und betonte dabei das große Verletzungspech der Schalker Mannschaft in der zurückliegenden Saison. „War das jetzt Pech oder doch Glück für unsere jungen, tollen Spieler?“ Glück sei vor allem die Sehnsucht nach dem Schönen und Guten. Im Fußball seien dies Dinge wie gutgelaunte Fans, keine Randale, der nächste Sieg oder faire, friedliche Menschen. In der Predigt zitierte Barth auch Schalkes Torwart Ralf Fährmann, der in einem WAZ-Interview sagte, dass „man sich einen gewissen Teil vom Glück auch erarbeiten kann“. Doch das wollte Barth so nicht alleine stehen lassen. Glück sei vor allem auch Dankbarkeit. Und Glück könne auch derjenige erfahren, der Dinge geschehen lässt, ohne etwas zu tun oder zu leisten. „Glück ist, wenn wir Gott nahe sind. Glück ist, wenn wir auch mal auf Distanz zu uns gehen und aufhören, alles festzuhalten und beherrschen zu wollen.“ Der Abpfiff-Gottesdienst sei der richtige „Dank-Ort“ für das, was den Fans an Fußball-Freuden in dieser Saison geschenkt wurde. „Ein Ort, wo wir beten füreinander, eben auch für die Verlierer, Absteiger und Gegner, für die Schwachen, für den Frieden unter uns, in der Ukraine, Syrien und in der ganzen Welt.“



Schalker Sangeskraft brachte Kirche zum Klingen

In ihren Fürbitten machten die gläubigen Fans genau diese Dinge zum Thema. Vor und nach Barths Predigt lud der Gospelchor „Con Anima“, unter der Leitung von Wolfgang Ballhausen, zum Mitsingen und Mitklatschen ein. Die Melodie ihres Liedes „Hört, wen Jesus glücklich preist“ dürfte vielen Fußballfans auch aus dem Stadion bekannt gewesen sein. Bei gemeinsamen Liedern stellten die Schalker dann ihre berühmte Sangeskraft unter Beweis. Danach warf Ingo Mattauch, Pfarrer der Katholischen Pfarrgemeinde St. Joseph, den Blick nach vorne. Am Morgen des ersten Heimspiels der Saison 2014/15 werde es wieder den Anpfiff-Gottesdienst geben. Das genaue Datum wird noch festgelegt. Mattauch: „Dann heißt es wieder: neues Spiel, neues Glück.“ Die Hoffnung, dass Schalke dann mal ganz oben steht, hat der Geistliche noch nicht aufgegeben. „Wer sagt denn, dass die Mannschaft mit mehr Geld immer vorne stehen muss?“



Kurzes Anspiel in der Kirche

Die Kollekte des Abpfiff-Gottesdienst kam der Stiftung „Schalke hilft“ zu Gute und wird für Bildungszwecke in Gelsenkirchen eingesetzt. Bevor es für die Gottesdienstbesucher aber für die obligatorische Bratwurst und Fußballfachgespräche vor die Tür der Matthäuskirche ging, durften sich die Fans von Ernst-Martin Barths fußballerischen Qualitäten überzeugen. Gemeinsam mit Eckhard Stolz, dem Vorsitzenden des Fan-Clubs „Mit Gott auf Schalke e. V.“, spielte sich der Pfarrer am Ende des 45-minütigen Gottesdienstes den Ball zu. Und am Nachmittag hatten die Schalker dann tatsächlich noch einmal Grund zum Feiern: Schalke konnte einen 4:1-Sieg einfahren. Für die Nürnberger blieben zumindest aufmunternde Sprechchöre von den blau-weißen Fans in der Arena. In die Gebete der christlichen Schalker waren sie da aber schon längst eingeschlossen.