GELSENKIRCHEN – Bereits im Oktober habe die Jüdische Kultusgemeinde zum Neujahrsempfang für das Jahr 5772 geladen, sagte Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski in seinem Grußwort. Er selbst habe „inzwischen nur noch einen kurzen Moment der Irritation“, wenn der Evangelische Kirchenkreis zum Neujahrsempfang im Dezember einlade, um den Beginn des Kirchenjahres zu feiern. „Sie erinnern daran, die Tage anders zu erfassen als in den Kategorien von Steuern, Bilanzen und Haushaltsplänen.“
Superintendent Rüdiger Höcker hieß am 1. Dezember Gäste aus der Politik und dem öffentlichen Leben sowie Vertreter christlicher Konfessionen und anderer Religionen willkommen. Besonders begrüßte er in diesem Jahr Mehmet Ayas (Integrationsbeauftragter der Stadt Gelsenkirchen) und berichtete von dem Beschluss der Kreissynode vier Tage zuvor, mit dem der Kirchenkreis die Solidaritätsadresse der Demokratischen Initiative im Blick auf die neonazistischen Anschläge bekräftigt hat und einstimmig versichert: „Der Evangelische Kirchenkreis hat sich in der Vergangenheit für ein gutes Miteinander der Kulturen und Religionen eingesetzt und wird auch in Zukunft die interkulturelle und interreligiöse Arbeit in Gelsenkirchen und Bochum stärken.“
Ehrengast war Christel Riemann-Hanewinckel (Halle/Saale). Die gelernte Pfarrerin war fast 20 Jahre lang Mitglied des Deutschen Bundestages, 2002-2005 Parlamentarische Staatssekretärin beim Familienministerium und ist heute Präsidentin des Bundesverbandes der eaf - Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen.
„Einfach unbezahlbar !? Was Familien wirklich von der Gesellschaft brauchen“ lautete der Titel ihrer Festrede. Die Familie werde gebraucht, weil sie alle notwendigen Erfahrungen für das Leben vermittelt, sagte Riemann-Hanewinckel. „Diese Erfahrungen brauchen wir für das Gelingen unserer Gesellschaft. Sie ermöglichen Demokratie.“ Nicht die rechtliche Form des Zusammenlebens einer Familie sei entscheidend, sondern die Wahrnehmung gegenseitiger Verantwortung zwischen Jungen und Alten.
Auf die wichtigsten Ressourcen für Familien ging sie unter den Stichworten „Vermögen, Zeit, Bildung, Infrastruktur und Rechte“ ein. Das Hauptinstrument zur Vorbeugung und Bekämpfung von Armut sei die Bildung. Riemann-Hanewinckel forderte „kostenfreie Kindertagesstätten von Anfang an“ und bessere Löhne für die Erziehungsarbeit.