GELSENKIRCHEN – Wenn eine Kirchengemeinde ihre Arbeitsfelder nicht mehr in gewohnter Weise finanzieren kann, dann hat sie zwei Möglichkeiten: Entweder sie zieht sich zurück auf ihre Kernaufgaben – oder sie lernt zu teilen: Verantwortung, Gebäude, Trägerschaft und vieles mehr. So jedenfalls sieht es Pfarrer i.R. Dr. Rolf Heinrich. „Kirche ist für die Menschen da, für ihre Bedürfnisse und das Leben im Stadtteil, deshalb ist der Weg des Teilens richtig.“
Diesen Weg hat die Evangelische Lukas-Kirchengemeinde Buer Hassel bereits vor sechs Jahren eingeschlagen. Mit der Gründung der „Bürgerstiftung Leben in Hassel“ am 14. September ist jetzt ein wichtiger Meilenstein erreicht. Am Ende dieses Weges soll 2013 das Stadtteilzentrum Hassel stehen: Ein Restaurant mit integrativen Arbeitsplätzen bietet Mittagessen für umliegende Schulen und Kindergärten ebenso wie für Einzelbesucher. Eine Fahrradwerkstatt dient der Orientierung für Jugendliche im Übergang von der Schule zum Beruf, wartet die Werksfahrräder von BP und verkauft gebrauchte Räder. In der Lukaskirche und im Dietrich-Bonhoeffer-Haus finden Kulturveranstaltungen statt. Hier können auch Räume für Familienfeste angemietet werden. Das Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum Bonni bleibt ein offener Treffpunkt, das Familienzentrum unterstützt die Eltern und ist ganzjährig geöffnet. Es gibt Beratungs- und Therapiemöglichkeiten für Menschen in schwierigen Lebenslagen. In der Lukaskirche werden weiterhin Gottesdienste gefeiert und sie bietet als größter Versammlungsort in Hassel den geeigneten Raum für interreligiöse Begegnungen sowie Informations- und Kulturveranstaltungen.
„Wir liegen derzeit gut im Fahrplan“, berichtete Ulrich Schacht, der seit anderthalb Jahren ehrenamtlich als Projektleiter fungiert, am 2. September vor der Presse. Die baulichen Erweiterungen und Änderungen sind europaweit ausgeschrieben. Wer den Zuschlag erhält, entscheidet sich im März 2012. „Im Sommer soll der erste Spatenstich erfolgen.“ Einzelne Module gehen an den Start, sobald die Bedingungen dafür vorhanden sind. 2013 sollen alle Teilbereiche realisiert sein.
Rund 4,5 Millionen Euro werden die Baumaßnahmen kosten. 80 Prozent kommen von der Städtebauförderung des Landes NRW, 10 Prozent von der Städtebauförderung des Stadt Gelsenkirchen und 10 Prozent beträgt der Eigenanteil der Bürgerstiftung. Sie kann dafür Sach- und Geldspenden ebenso wie „Muskelhypotheken“ einbringen in Form von Beteiligung etwa an den Abbrucharbeiten, beim Anstrich oder in der Gestaltung der Außenanlagen.
„Ein solches Stadtteilzentrum ist kein fertiges Produkt, sondern ein Prozess“, sagte Dr. Rolf Heinrich, der im Januar dieses Jahres als Pfarrer der Lukas-Kirchengemeinde in den Ruhestand gegangen ist und versprochen hat, diesen Prozess „so lange zu begleiten, wie es notwendig ist.“ Man habe viel gelernt in den vergangenen sechs Jahren, vieles anders machen müssen als ursprünglich geplant, manchmal gestöhnt über Auflagen und Berechnungen, „aber das hat sich gelohnt und wir sind dankbar für die gute Zusammenarbeit, etwa mit der Stadt, mit dem Ministerium für Städtebau und Wohnen sowie vielen Beratern.“
Bereits vor 50 Jahren habe die Lukas-Kirchengemeinde beim Bau von Kirche, Gemeindehaus, Kindergarten und Schule eine Leitfrage gehabt: „Was brauchen die Menschen in Hassel?“ Daraus habe sich eine Tradition bürgerschaftlichen Engagements entwickelt. In Zeiten knapper Kassen sei es folgerichtig, die Verantwortung ebenso wie die Finanzierung mit anderen zu teilen. So stellt die Lukas-Kirchengemeinde ihr Gemeindehaus, das Bonni und Teile ihres Grundstücks der Bürgerstiftung über einen Erbpachtvertrag zur Verfügung. „Der Pachtzins beträgt dabei null Euro.“ Kirche und Familienzentrum bleiben zunächst in der Trägerschaft der Kirchengemeinde, um die Bürgerstiftung nicht zu überfordern.
50.000 Euro braucht die Stiftung als Startkapital. Nicht nur die Hasseler Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Wirtschaftsunternehmen, die Stadt Gelsenkirchen, Religiöse Gemeinschaften und Körperschaften des öffentlichen Rechts agieren als Mitstifter oder Kooperationspartner, sodass die Stiftungseinlage bereits gewährleistet ist.
Die Menschen im Stadtteil können mit einer Beteiligung ab 100 Euro Mitglieder der Bürgerstiftung „Leben in Hassel“ werden. Der Betrag kann auch in Raten gezahlt werden.