Vom Arbeiten mit der Sonne und mit der Uhr

In Morogoro ebenso wie in Gelsenkirchen und Wattenscheid ist das friedliche Miteinander der Religionen ein wichtiges Thema geworden

Nach der gemeinsamen Hausandacht am 19.6. gab es ein Erinnerungsfoto im Treppenhaus des Kreiskirchenamts. Danach fand das Auswertungsgespräch statt. Heute morgen (Donnerstag, 20.6.) haben sich die Partner aus Morogoro auf die Heimreise begeben. FOTO: KAT

Nach der gemeinsamen Hausandacht am 19.6. gab es ein Erinnerungsfoto im Treppenhaus des Kreiskirchenamts. Danach fand das Auswertungsgespräch statt. Heute morgen (Donnerstag, 20.6.) haben sich die Partner aus Morogoro auf die Heimreise begeben. FOTO: KATHARINA BLÄTGEN

GELSENKIRCHEN – Man stelle sich vor: In der Regenzeit ist die Kirchengemeinde Höntrop ganz im Süden des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid von der Außenwelt abgeschnitten: Kein Durchkommen mit dem Auto, zu Fuß schon gar nicht, eine kleine Chance gibt es höchstens auf einem Motorrad, wenn der Fahrer sehr viel Mut hat. Da es auch keinen Strom gibt, kann niemand sein Mobiltelefon aufladen, so dass die Höntroper schon nach ein paar Tagen völlig von der Außenwelt abgeschnitten sind.

Was hier undenkbar ist, gehört dort zum Alltag. Im Kirchendistrikt Morogoro gibt es gleich mehrere kleine Außenbezirke, die unter solchen Bedingungen existieren. Seit dem Gespräch mit Werner Rybarski vom aGEnda-Büro geht Norbert Mbwillo eine Vorstellung nicht mehr aus dem Kopf: Vielleicht könnte man in den abgelegenen Gemeinden kleine Solaranlagen installieren, damit wenigstens die Telefonverbindungen via Handy erhalten bleiben und es abends ein wenig Licht gibt.

Norbert Mbwillo ist der Verwalter des Kirchendistrikts Morogoro. Gemeinsam mit Distrikt-Pastor (Superintendent) Reginald Makule, seinem Stellvertreter Paul Thomas sowie den beiden Ehrenamtlichen Lunyamadzo Gillah (Vorsitzende des Schulausschusses) und Natujwa Mellau (Leiterin der Arbeit mit Frauen und Kindern) war er vom 7. bis zum 20. Juni zu Gast im Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. Aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums der Partnerschaft zwischen den beiden Kirchenkreisen begleitete der Bischof der Diözese (Landeskirche), Jakob Mameo, die Delegation.

Alles war (fast) perfekt

Alternative Energiegewinnung, wie sie im aGEnda-Büro zur Sprache kam, war nur einer der Punkte bei der Auswertung des Besuchsprogramms. Die Gäste bedankten sich für die vielen Eindrücke, brachten ihre Freude zum Ausdruck über die vielfältigen Gottesdienste, die sie erleben durften und über die freundlichen Menschen, denen sie begegnet sind. „Ich werde allen, mit denen ich daheim spreche, von Ihrer Gastfreundschaft erzählen“, sagte Bischof Mameo.

Ob denn wirklich gar keine Wünsche offen geblieben sind, wollten die Gastgeber wissen. „Alles war perfekt“, versicherte Paul Thomas. Eine gemeindliche Frauengruppe hätte sie gerne noch kennen gelernt, meinte schließlich Natujwa Mellau. „Und es wäre gut, wenn bei unseren Begegnungen auch eine Ehrenamtliche aus der Arbeit mit Frauen dabei wäre.“

Aktiv für versöhnte Verschiedenheit

Nicht alles lässt sich planen und als Programmpunkt vorsehen. Fast wie von selbst hat sich bei dieser Partnerschaftsbegegnung ein wichtiges gemeinsames Thema ergeben: Das friedliche Miteinander von Christen und Muslimen. Mit großer Sorge hat Superintendent Rüdiger Höcker als privater Gastgeber von Bischof Mameo und Distrikt-Pastor Makule von muslimischen Übergriffen auf christliche Kirchen und Pastoren gehört. Tansania konnte lange Zeit stolz sein darauf, dass die verschiedenen Religionen sich gegenseitig akzeptierten. Doch das Klima ist offenbar rauer geworden. Die Christen in Tansania erleben Anzeichen für eine Radikalisierung des Islam. Nun waren die Besucher aus Morogoro erstaunt zu erleben, wie viele Muslime es auch in Gelsenkirchen und Wattenscheid gibt.

„Jesus Christus hat uns den Weg des Friedens gewiesen“, darüber waren sich Gäste und Gastgeber einig. Aber wie gehen wir mit Erfahrungen von Aggression um? Was können wir aktiv tun, um in versöhnter Verschiedenheit zu leben? Eine ganz konkrete Anregung hat Natujwa Mellau aus der Evangelischen Gesamtschule mitgenommen. „Es scheint mir der richtige Weg zu sein, in den Schulen islamischen Religionsunterricht zu erteilen“, sagte sie. „Denn wir wissen nicht, was die Kinder in den Moscheeschulen lernen. Doch in den Schulen lässt sich das kontrollieren und der Radikalisierung entgegenwirken.“

Die Uhr mal in der Tasche lassen

In großem Aufwand und ebenso großer Sorgfalt hatte der Partnerschaftsausschuss unter der Leitung von Pfarrer Klaus Venjakob das 13-tägige Programm vorbereitet. Alle Beteiligten waren mehr als zufrieden damit. „Trotz der vielen Verabredungen und Fahrten sind wir nicht einmal in Zeitnot oder Hektik geraten“, staunte Venjakob selbst. Paul Thomas zeigte auf seine Armbanduhr. „In Tansania arbeiten wir mit der Sonne – Ihr arbeitet mit der Uhr. Dabei hat alles prima geklappt: Das sollten wir auch lernen.“ Doch am bisher heißesten Tag des Jahres 2013 fanden die Gastgeber, dass umgekehrt viel dafür spricht, sich auch mal nach der Sonne zu richten.