Vieles beginnt mit kleinen Tropfen

Die Situation von Flüchtlingen hat im ökumenischen Gottesdienst am Buß- und Bettag im Mittelpunkt gestanden

Ein Flüchtlingslager in der Nähe der Stadt Mardin, Osttürkei. FOTO: EKvW

Peter Spannenkrebs, Direktor des Caritasverbandes, berichtete über die prekäre Lebenssituation von Zugewanderten. FOTO: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – „Friedensweg zum Buß- und Bettag“ lauteten die Worte auf dem Banner, das während des abendlichen Gangs zur Apostelkirche getragen wurde. Die Trinitatis-Kirchengemeinde, die katholische Probsteigemeinde St. Urbanus und die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde luden dazu ein, den Buß- und Bettag gemeinsam zu 'begehen'. Dies war wortwörtlich gemeint: Vom Treffpunkt am Goldbergplatz führte der Friedensweg zu Fuß über die Horster Straße zur Apostelkirche. Der ökumenische Gottesdienst stand unter dem Motto „Bei dir sollen sie wohnen dürfen, in deiner Mitte“, aus dem 5. Buch Mose. Der Blick richtete sich auf die Situation von Flüchtlingen, die als Schutzsuchende hierher kommen.

Diese Menschen stehen vor dem Nichts

"Die Bilder und Berichte von Flüchtlingen erfüllen uns mit Sorge“, sagte Astrid Kiepert. Sie ist Diplom-Sozialpädagogin und arbeitet für das Ausländer- und Flüchtlingsbüro im Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. In Gelsenkirchen-Buer gibt es drei Unterkünfte, in denen Flüchtlinge aus insgesamt 29 Ländern untergebracht sind. Sie kennt deren Situation: „Diese Menschen sind traumatisiert, sie stehen vor dem Nichts, haben alles zurückgelassen und ihre soziale Identität verloren.“ Die Flüchtlinge, unter ihnen viele Minderjährige ohne Eltern, fliehen aus den unterschiedlichsten Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt nach Deutschland.

Für sie sei es eine große Katastrophe, dass sie nicht in ihre Länder zurückgehen können und in der Fremde vor einer ungewissen Zukunft stehen. „Zunächst sind sie froh, dass sie in Sicherheit sind, ihre Grundbedürfnisse versorgt werden und sie ein Dach über dem Kopf haben“, erklärt Kiepert. „Manche leiden unter Schuldgefühlen: ‚Warum habe ich überlebt und andere nicht?‘ Sie sorgen sich um zurückgelassene Familienangehörige, die sich noch in Gefahr befinden.“ Auf die Frage, was man für die Flüchtlinge tun könne, antwortete Kiepert: „Wir können ihnen mit Respekt begegnen und ihnen Hilfe zur Orientierung anbieten. Das Zusammenleben kann nur funktionieren, wenn man aufeinander zugeht."

Als unerwünschte Minderheit diskriminiert

Caritasdirektor Peter Spannenkrebs berichtete von Zuwanderern, die aus Bulgarien und Rumänien nach Gelsenkirchen kommen und zu der Gruppe der Roma zählen: „In den Herkunftsländern leben diese Menschen in Slums, sind nicht Teil der bulgarischen oder rumänischen Gesellschaft und werden als unerwünschte Minderheit vielfach diskriminiert. Wir haben es mit einer Volksgruppe zu tun, die seit Jahrhunderten in Europa keinen Platz zum Leben gefunden hat.“ Die Stadt Gelsenkirchen habe sich frühzeitig mit der Zuwanderung auseinandergesetzt, um für bevorstehende Situationen Lösungen bieten zu können. Dazu gehöre beispielsweise das Angebot von Sprachkursen und internationalen Förderklassen an Grundschulen, um Kinder in das Schul- und Bildungssystem aufzunehmen.

Spannenkrebs wies darauf hin, dass die medizinische Versorgung für viele Flüchtlinge ein weiteres Problem darstellt: „Nur wenn ein Notfall vorliegt, werden sie behandelt. Das bedeutet, dass eine ausreichende gesundheitliche Versorgung nicht gewährleistet ist.“ Für lobenswert hält er hingegen, dass sich Gelsenkirchener Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren. Dies sei wichtig, da die Möglichkeiten auf kommunaler Ebene begrenzt sind. Ende November wird eine Kleiderkammer in Rotthausen eröffnen. „Es haben sich inzwischen Menschen aus der Nachbarschaft gefunden, die sich mit gutem Willen für Zuwanderer einsetzen wollen. Sie im Winter mit warmer Kleidung zu versorgen, ist zwar ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber vieles beginnt mit kleinen Tropfen und kleinen Schritten. Wir können einen Beitrag dazu leisten, dass diese Familien in Gelsenkirchen eine neue Heimat und für ihre Kinder eine Lebensperspektive finden.“

Mehr Informationen zu diesem Thema hat der Arbeitsbereich Kommunikation der EKvW im Dossier "Flucht und Asyl" zusammengestellt. Das Dossier sowie Informations-Materialien finden Sie unter: http://ekvw.de/fluchtundasyl