Verlässliche Partner in schwierigem Umfeld

Austausch mit Bürgermeister*innen im Rahmen der Visitation in Gelsenkirchen und Wattenscheid

Bürgermeister- und Pfarramt haben vieles gemein. In beiden wirken ‚Kümmerer und Kümmerinnen‘, wenn Belastungen und Schwierigkeiten die Menschen im Umfeld drücken. Und wie Gemeinde- und Stadtvertretung brauchen auch Kirchengemeinden ein Gesicht, das die Menschen zuordnen können. Darin waren sich die Teilnehmer*innen des Gesprächs, zu dem die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, und ihr Visitationsteam eingeladen hatten, einig. Zu Gast beim intensiven, eineinhalbstündigen Austausch waren die Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen, Karin Welge, Gelsenkirchens erste Bürgermeisterin Martina Rudowitz, der zweite Bürgermeister Werner Wöll und der Bezirksbürgermeister von Wattenscheid, Hans-Peter Herzog. Als Vertreter des Kirchenkreises nahm Superintendent Heiner Montanus an dem Gespräch teil.

Ziel des Austauschs im Rahmen der landeskirchlichen Visitation war es, gegenseitiges Verständnis und Erwartungen von Kirche und Politik in den beteiligten Städten deutlich werden zu lassen. Welche Kooperationen und Vernetzungen gibt es vor Ort? Welche wären darüber hinaus wünschenswert und zielführend für die Städte und ihre Menschen?

Dass in Gelsenkirchen ein gutes Miteinander und gemeinsames Agieren von Evangelischer Kirche und Stadt guter Brauch ist, brachte Oberbürgermeisterin Karin Welge deutlich zum Ausdruck. Über viele Jahrzehnte stelle die Evangelische Kirche in der Stadt einen verlässlichen Partner dar, so die Politikerin. Beide Institutionen beschrieben es als Gefahr für die Stadtgesellschaft, wenn sich Menschen aus dem Stadtbild zurückzögen. Probleme für städtische Handel und Wirtschaft, aber auch die Aufgabe von städtischen wie kirchlichen Einrichtungen trügen dazu bei. Welge wie auch ihre Bürgermeister-Kolleg*innen Martina Rudowitz, Werner Wöll und Hans-Peter Herzog appellierten an die Evangelische Kirche im Kirchenkreis, wenn irgend wirtschaftlich möglich funktionierende Strukturen, etwa in der Stadtteil- oder Jugendarbeit, zu erhalten. Gerade in Zeiten struktureller Veränderungen an vielen gesellschaftlichen Stellen könne das den Menschen Halt und soziale Perspektive bieten.

Als Beispiel für die Übernahme wichtiger Funktionen nannten die Bürgermeister*innen das Engagement für den Interreligiösen Dialog. Die Kirche moderiere an dieser Stelle segensreich und übernehme gesamtstädtische Funktionen. OB Welge und Superintendent Heiner Montanus beschrieben zudem eine fruchtbringende Kooperation beim Betrieb und Ausbau von Kindertagesstätten. Auch hier setze die Stadt zunehmend auf das Engagement der Evangelischen Kirche, um den Erfordernissen nach einer ausreichenden Zahl an Plätzen für Kinder nachzukommen. Religiöse Grundlagen und Wertevermittlung könne zudem vor allem in frühkindlichen Zusammenhängen gelegt werden und mache daher den Einsatz in diesem Bereich umso wertvoller, betonte der Superintendent.

Kirchen- und Stadtvertreter*innen waren sich einig, dass es gemeinsamer Kreativität bedürfe, um die Herausforderungen im Zusammenleben der Städte anzunehmen. Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wie Inflation und Teuerungsrate in Verbindung mit hoher Arbeitslosigkeit und zunehmender Bildungsferne treffen Gemeinwesen wie Gelsenkirchen und Wattenscheid in besonderem Maße. Beide zählen zu den strukturärmsten Kommunen des Landes und weisen eine Arbeitslosenquote von ca. 15 Prozent auf. Das Risiko für Kinder, in Armut zu leben, beträgt in Gelsenkirchen dem Vernehmen nach derzeit rund 42 Prozent. Gleichwohl einen die Verantwortlichen der Elan und die Zuversicht, sich für die Menschen in ihrem Umfeld einzusetzen und immer neue Ideen zu entwickeln.

Das Treffen mit den Bürgermeister*innen fand statt im Rahmen der Visitation, zu der Präses Annette Kurschus, weitere Mitglieder der Kirchenleitung und Expert*innen der Evangelischen Kirche von Westfalen den Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid vier Tage lang besuchen. In rund 50 Einzelveranstaltungen informieren sie sich dabei über Themen aus Bereichen wie Seelsorge, Jugendarbeit, Diakonie oder Gesellschaftliche Verantwortung, aber auch kirchliche Verwaltung, Kommunikations- und Strukturfragen. Auch der Austausch mit Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft ist Teil der Visitation.

 

Text: EKvW