So aktuell wie vor 2000 Jahren

Die 3. Gelsenkirchener Passionsspiele stehen kurz vor der Premiere

Der 26-jährige Julian Wangemann, der zuvor erste Theatererfahrungen als Statist beim Musiktheater im Revier gesammelt hat, stellt sehr eindrucksvoll Jesus Christus dar.

Der 26-jährige Julian Wangemann, der zuvor erste Theatererfahrungen als Statist beim Musiktheater im Revier gesammelt hat, stellt sehr eindrucksvoll Jesus Christus dar.

Alle Darsteller von 19 bis 82 Jahren wurden beim öffentlichen Casting ausgesucht und hoffen nun auf ein großes Publikum bei den Aufführungen in der Evangelischen Kirche Rotthausen.

Alle Darsteller von 19 bis 82 Jahren wurden beim öffentlichen Casting ausgesucht und hoffen nun auf ein großes Publikum bei den Aufführungen in der Evangelischen Kirche Rotthausen.

Nach monatelangen intensiven Proben freut sich Regisseur Ulrich Penquitt (Mitte) mit den Darstellern von Pontius Pilatus (links) und Hohepriester Kaiphas, die 3. Gelsenkirchener Passionsspiele auf die Bühne zu bringen. FOTOS: CORNELIA FISCHER

Nach monatelangen intensiven Proben freut sich Regisseur Ulrich Penquitt (Mitte) mit den Darstellern von Pontius Pilatus (links) und Hohepriester Kaiphas, die 3. Gelsenkirchener Passionsspiele auf die Bühne zu bringen. FOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Geschäftiges Treiben im Kirchenschiff, hier sucht Pontius Pilatus noch sein Kostüm, dort geht Jesus noch einmal seinen Text durch. Einige Darsteller vom Hohen Rat stecken offenbar noch im Feierabendverkehr, Stau auf der A40 wie jeden Tag. Kurzentschlossen springt Jesus Mutter Maria beherzt ein und übernimmt einen Part, die Szene ist für heute gerettet. „So ist das eben manchmal hier“, schmunzelt Maria Darstellerin Gitti Köster. „Wir sind wie eine große Familie und wenn Not am Mann ist, helfe ich halt, wo es geht.“

Nicht im bayerischen Oberammergau sondern in Gelsenkirchen Rotthausen stellen 33 Schauspielerinnen und Schauspieler in 45 Rollen die letzten Tage Jesu Christi und seine Lebens- und Leidensgeschichte dar, wie sie im Evangelium nach Johannes erzählt wird. Seit Oktober letzten Jahres treffen sich die Laiendarstellerinnen und Darsteller im Alter von 19 bis 82 Jahren zweimal pro Woche zu intensiven Proben.


Die Proben kosten Kraft

„Das ist anstrengend“, gibt Regisseur Ulrich Penquitt vom Trias Theater-Ruhr freimütig zu. Doch von Anfang an hätten alle gemeinsam klar gemacht: Wir stemmen das! „Mein Ansatz war, ich nehme Jede und Jeden, der sich dem Thema und der Theatergeschichte stellt!“  Und so entwickelten sich im Laufe der Monate sowohl das Stück als auch die Darsteller. Immer wieder springt Penquitt, selbst Berufsschauspieler, während des Interviews auf, gibt Anweisungen, lässt manche Szenen immer und immer wieder einüben. „Auf der Bühne sind ja immer viele Schauspieler, bis alle so richtig in ihrer Rolle sind, das ist anstrengend und kostet Kraft.“ Doch schließlich freut sich Penquitt, wenn alle merken, dass sie ein Teil des Ganzen sind, wenn sie sich richtig hineinknien und lernen, ihre Rolle zu spielen.


Brücken in die Gegenwart

Seit den letzten Gelsenkirchener Passionsspielen 2015 hat sich in der Stadt, der Region, in ganz Europa politisch einiges getan, das nun auch Einzug findet in die aktuelle Darstellung der Johannespassion. Die Flüchtlingskrise, der aufkommende Rechtspopulismus, der Umgang mit Fremden, all das ist Teil dieser aktuellen Theaterfassung. Sie schlägt damit Brücken in die Gegenwart und bringt den Zuschauerinnen und Zuschauern die Menschen und ihre Schicksale zeitlos nahe. „Die Passion als eine universelle Geschichte von Leiden und Schuld, aber auch von Hoffnung und Glaube, hat uns heute nicht weniger zu sagen als vor 2000 Jahren“, ist sich Regisseur und Leiter Ulrich Penquitt sicher.


Alexander Welp als Pontius Pilatus

Klaus Lücke ist hier im Team schon ein alter Hase. Der 82-Jährige Hobbyschauspieler war auch schon bei den ersten beiden Gelsenkirchener Passionsspielen aktiv dabei. Manches fällt ihm nicht mehr ganz so leicht, gibt Lücke, der diesmal ein Mitglied des Hohen Rates spielt, zu. „Den Text auswendig zu lernen, finde ich anstrengend. Ich muss mich dabei reichlich konzentrieren!“ Sein Vorteil gegenüber den jüngeren Darstellern, er hat schon viel Theatererfahrungen in den Jahren zuvor gesammelt.

Letzte Absprachen mit der Kostümbildnerin, immer wieder muss Angela Heid-Schilling spontan improvisieren. Szenenwechsel, einige tragen von irgendwoher einen thronähnlichen Stuhl herbei. Alexander Welp alias Pontius Pilatus richtet noch rasch sein rotes Gewand, zupft es noch mal kurz zurecht, dann nimmt er seinen Platz ein und strahlt plötzlich etwas Erhabenes aus.


Julian Wangemann als Jesus

Und schließlich, Hauptdarsteller Jesus. Der 26-jährige Julian Wangemann spielt ihn, verkörpert ihn. Erste Erfahrungen mit der Schauspielerei konnte der junge Neu-Gelsenkirchener als Statist im Musiktheater im Revier machen. Doch das hier ist natürlich etwas ganz anderes. Jetzt hieß es auch für ihn, Text lernen und akribische Vorbereitungen auf die Rolle des Messias. Im ersten Akt noch ganz der Zweifelnde, Suchende, der noch nicht so recht weiß, wo es hingeht. Doch dann zieht der Christusgeist in ihm ein und schließlich nimmt auch in Gelsenkirchen die Geschichte ihren Lauf. Sie endet mit seiner Verhaftung und schließlich der Kreuzigung Jesu. „Mit dieser Neuauflage der Passion werden auch aktuelle Themen behandelt, wie zum Beispiel die Flüchtlingskrise. Ich finde es schon ziemlich wichtig, solche Sachen aufzugreifen und zu verarbeiten.“


Die Spannung steigt, die Premiere naht

Die Musik zu den 3. Gelsenkirchener Passionsspielen schrieb extra der junge Pianist und Komponist Danny-Tristan Bombosch. Und zu seinen Klängen wird die biblische Geschichte vom Leben und Leiden Jesu Christi im Kirchenraum der Evangelischen Kirche in Rotthausen richtig lebendig.

Noch stehen einige intensive Proben auf dem Programm, doch die Spannung in der gesamten Theatertruppe wächst von Tag zu Tag. Alle hoffen natürlich, dass ein zahlreiches Publikum ihre Darstellung der Passion Jesu Christi mit viel Applaus belohnen wird.

„Ich bin ja einer der Bösen“, resümiert Klaus Lücke, Mitglied des Hohen Rates, der für das traurige Ende Jesu mit verantwortlich ist. „ Aber ich freue mich, wenn das Publikum am Ende der Vorstellung hinausgeht und die Leute richtig ergriffen sind.“

Die Johannespassion des Trias Theater Ruhr unter der Regie von Ulrich Penquitt feiert in der Evangelischen Kirche, Steeler Straße 48, 45884 GE-Rotthausen Premiere am Samstag, 7. März. Beginn ist um 20 Uhr, Einlass ist ab 19.30 Uhr. Der Eintritt im Vorverkauf kostet 12 Euro, an der Abendkasse und online 14,70 Euro, bis 12 Jahre ist der Eintritt frei.

ACHTUNG: Da die Stadt Gelsenkirchen am 13.3.2020 alle öffentlichen Veranstaltungen bis auf Weiteres verboten hat, können die geplanten Aufführungen vorerst nicht stattfinden.

Weitere Vorstellungen waren geplant am 13., 14., 20., 21., 27, 28. März, sowie am 3. und 4. April, jeweils um 20 Uhr und am Ostersonntag, 12. April, um 18 Uhr (Einlass 17.30 Uhr).