Sie bringen ganz viele Stärken mit

Das Ausländer- und Flüchtlingsbüro des Kirchenkreises sorgt für faire Asylverfahren und Perspektiven

Kerstin Knuth (links) und Astrid Kiepert haben ihre Büros neben dem Kreiskirchenamt, Pastoratstraße 6, 45879 GE-Mitte, Terminabsprachen Mo-Do 8.30-12 Uhr, 0209 – 389 489 74.

Kerstin Knuth (links) und Astrid Kiepert haben ihre Büros neben dem Kreiskirchenamt, Pastoratstraße 6, 45879 GE-Mitte, Terminabsprachen Mo-Do 8.30-12 Uhr, 0209 – 389 489 74.

Das AFB-Team wird ergänzt durch Empfangsdame und Organisationstalent Annette Leimann – leider nur mit zehn Wochenstunden.

Das AFB-Team wird ergänzt durch Empfangsdame und Organisationstalent Annette Leimann – leider nur mit zehn Wochenstunden.

Neu im AFB: Die Gruppe „Willkommen in Gelsenkirchen“ für arabische Neuzuwanderer trifft sich mittwochs um 9.30 Uhr unter der Leitung von Dr. Abdul Mouaid Al Jaanabi. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

Neu im AFB: Die Gruppe „Willkommen in Gelsenkirchen“ für arabische Neuzuwanderer trifft sich mittwochs um 9.30 Uhr unter der Leitung von Dr. Abdul Mouaid Al Jaanabi. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Die junge Frau aus Somalia haben Astrid Kiepert und Kerstin Knuth beim Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft kennengelernt. „Sie spricht Englisch, so dass wir uns ohne Dolmetscher unterhalten konnten“, berichtete Kiepert. Müsste sie zurückkehren in ihr Heimatland, wäre sie von erneuter Zwangsbeschneidung bedroht. Wie bitte? Eine zweite Beschneidung, diese grausame Verstümmelung der weiblichen Genitalien? „Ihre Schwester war bei der Beschneidung gestorben, deshalb hatte man es bei ihr etwas vorsichtiger gemacht“, erklärte Kiepert. „Nun soll sie ‚richtig‘ beschnitten werden.“

Nach einem ärztlichen Gutachten über die bereits erfolgte Verstümmelung hat die junge Frau zwar gute Chancen auf die Genehmigung ihres Asylantrages, dennoch droht ihr die Abschiebung aus Deutschland – in das Transitland, also das Land, über das sie nach Gelsenkirchen gekommen ist. „Sie lernt eifrig deutsch, sie möchte eine Ausbildung machen und arbeiten. Müsste sie nun nach Portugal, würde sie das erneut entwurzeln. Dafür fehlt ihr die Kraft“, so Kiepert.


Aus 59 Ländern der Erde

Astrid Kiepert und Kerstin Knuth sind beim Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid für die Ausländer- und Flüchtlingsberatung zuständig. In Gelsenkirchen ist das ‚Ausländer- und Flüchtlingsbüro (AFB)‘, wie es seit der Errichtung 1990 heißt, einzigartig. Die Bandbreite dieser Arbeit ist erstaunlich. Da sind zunächst einmal die Ratsuchenden: Rund 80 Klienten berät das AFB monatlich. „Dabei haben wir die Familien, die mit betroffen sind und gerne auch mit zu den Beratungsterminen in unseren Büros kommen, gar nicht mitgezählt“, so Knuth. Sie kamen in 2013 aus 59 verschiedenen Ländern.

Dann ist da die Beratung. Jeder Klient hat seine eigene Geschichte, die sorgfältig recherchiert werden muss. Für die Verständigung können die beiden Sozialarbeiterinnen auf den Dolmetscherpool, den das AFB in 24 Jahren aufgebaut hat, zurückgreifen. Ausgangspunkt sind häufig Fragen zum Asylantrag, den die Klienten entweder schon gestellt haben oder noch stellen wollen. „Wir helfen ihnen dabei, ein möglichst faires Verfahren zu bekommen“, erklärte Kiepert. „Sind wirklich alle Gründe genannt? Gibt es Möglichkeiten, sie zu belegen oder Experten, die dazu aussagen können?“


Eine Pyramide der Beratung

„Wir besprechen und klären die Situation gemeinsam mit dem Klienten. Wenn sich abzeichnet, dass es keine Chancen für ein Hierbleiben gibt, bieten wir an, bei der Rückkehr zu beraten“, schilderte Knuth. Das AFB ist Mitglied im ‚Forum NRW Rückkehrberatung‘. Hier werden Netzwerke geknüpft, um Rückkehrern so gut wie möglich zu helfen. Da war der Christ aus Nigeria, dessen ganze Familie umgebracht worden war. „Er wollte zurück, aber er konnte ja nicht in sein Dorf, wo die Morde geschehen sind“, berichtete Kiepert. „Wir haben eine Hilfsorganisation in einem anderen Teil des Landes gefunden, bei der er erst einmal ankommen und neu anfangen kann.“

Wer als Asylberechtigter anerkannt wird, erhält er zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Danach wird überprüft, ob weiterhin Schutzbedarf besteht. Damit sind nicht alle Probleme gelöst. Kiepert: „Das Erlernen der Sprache, Schule, Berufsausbildung – das ist wie eine Pyramide der Beratung. Ihre Basis ist immer die Frage: Kann ich hier bleiben?“


Es geht um mehr als ‚hier bleiben‘

Aus Serbien, Bosnien, Mazedonien und Albanien kommen derzeit überwiegend Roma. Sie dürfen ohne Visum drei Monate bleiben und stellen wegen der Diskriminierung ihrer Volksgruppe Asylanträge. Auch aus arabischen Ländern kommen Ratsuchende in das AFB, etwa christliche Kopten aus Ägypten, die daheim verfolgt und mit Zwangsislamisierung bedroht werden. „Aus Syrien kommen in diesen Wochen eigentlich viel zu wenige, weil die bürokratischen Hürden zu hoch sind und Deutschland nicht genug aufnimmt“, sagte Knuth. Afrika ist aktuell besonders mit Menschen aus Nigeria und Eritrea vertreten.

Nach 24 Jahren in der Arbeit mit Ausländern und Flüchtlingen erlebt Kiepert sie immer wieder neu als Inspiration: „Hierher kommen Menschen, die so unfassbar Schreckliches erlebt haben, die seelisch oder körperlich verletzt und verstümmelt wurden – und ich staune immer wieder, was sie trotzdem noch mitbringen an Mut und Energie und Hoffnung. Die wollen mehr als ‚hier bleiben‘, die wollen etwas erreichen. Sie bringen ganz viele Stärken mit und können unser Leben bereichern.“