Seelsorge in einer anderen Lebenswelt

Christine Ewert ist Pfarrerin an der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen

Christine Ewert. FOTO: CORNELIA FISCHER

Christine Ewert. FOTO: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Wegen der glänzenden Metalldächer nennt Christine Ewert ihren neuen Arbeitsplatz manchmal liebevoll „Raumschiff Enterprise“. Doch nicht nur äußerlich unterscheidet sich die Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen von ihrer Umgebung: „Es ist eine ganz andere Lebenswelt.“

Am 1. März wurde die Pfarrerin vom Land NRW vereidigt und am 3. Juli mit einem Festgottesdienst in ihr Amt als Seelsorgerin im Gefängnis eingeführt. Seitdem macht sie täglich neue Entdeckungen, knüpft Kontakte und stellt Beziehungen her in dieser Lebenswelt, die ihre ganz eigene innere Dynamik hat.

Gefangene, die mit der Pfarrerin sprechen möchten, müssen einen schriftlichen Antrag einreichen. Wenn er genehmigt wird, macht sich Ewert auf den Weg in die Hafträume. Bei rund 700 Gefangenen sind es so viele Anträge, dass die Seelsorgerin gar nicht alle Wünsche nach Begleitung erfüllen kann. „Die Entscheidung darüber fällt schwer und ist nahezu zwangsläufig ungerecht.“

Über die Seelsorge an den Gefangenen hinaus lernt Ewert nach und nach die Menschen kennen, die in der Anstalt arbeiten: die Beamten des Allgemeinen Vollzugsdienstes, das Personal der Verwaltung, die Psychologen, Sozialarbeiter, Lehrer, um nur einige der über 350 zu nennen.

Dazu kommen die regelmäßigen Veranstaltungen. Jeden zweiten Sonntag hält Ewert zwei Gottesdienste, einen für die Männer und einen für die Frauen. Gemeinsam mit ihrem katholischen Kollegen lädt sie die Neuzugänge zu einem Café ein, gemeinsam mit einer der Lehrerinnen leitet sie ein Familienseminar für Gefangene, die für diesen Termin Besuch von ihren Frauen und Kindern bekommen. Im Offenen Vollzug für Frauen wird sie eine Abendmahlsandacht mit anschließender Gesprächsrunde anbieten.

Christine Ewert war zuletzt 13 Jahre lang an einem Berufskolleg in Münster tätig. Die Seelsorge im Maßregelvollzug hatte sie bereits in einem Praktikum während ihres Studiums an der Universität Berkeley/Kalifornien in den USA kennen gelernt. Dort schloss sie 1982 das Studium der „Pastoral Care“ (Seelsorge) als Master of Arts ab. „Seitdem war das Gefängnis immer ein Thema für mich“, sagte die die 55-Jährige. „Auch mit meinen Klassen am Berufskolleg habe ich einmal im Schuljahr eine Gerichtsverhandlung und eine Strafanstalt besucht.“