GELSENKIRCHEN – Großzügige Schecks haben Mitglieder des städtischen Ausschusses „Arbeit und Soziales“ am 23. Juni erhalten – ausgestellt für „Frau Dr. Merkel und Herrn Dr. Westerwelle“. Der Verwendungszweck war angegeben mit „Rettung Deutschlands“. Der Betrag: jeweils eine Million Euro. Die Unterschriften der Scheckaussteller trugen den Zusatzvermerk „ein reuiger Arbeitsloser“.
Mit dieser Aktion protestierten Mitglieder der Hartz IV-Selbsthilfegruppe im Evangelischen Industrie- und Sozialpfarramt gegen die Sparbeschlüsse der Bundesregierung. „Dieses Sparpaket müssen die bezahlen, die sowieso schon arm dran sind“, so Industrie- und Sozialpfarrer Dieter Heisig. „Das ist so absurd, dass es Galgenhumor hervorbringt.“
Im Anschluss an den satirischen Protest besuchten Heisig und die Gruppe die Sitzung des Sozialausschusses. Auch hier standen die Sparbeschlüsse auf der Tagesordnung. In der lebhaften Diskussion erfuhren die Betroffenen wichtige Details. Die Regierungskoalition begründet die Abschaffung der Renteneinzahlung für Hartz IV-Empfänger damit, dass sie für die einzelne Rente „nur“ ein monatliches Plus von 2,09 Euro ausmache. „In der Sitzung wurde die weiteren Konsequenzen deutlich“, berichtete Heisig. Für die Betroffenen: Sie werden auch im Falle einer Erwerbsunfähigkeit (EU) keine entsprechende Rente erhalten. Denn die Bewilligung einer EU-Rente setzt voraus, dass in den letzten fünf Jahren 36 Monatsbeiträge in die Rentenkasse eingezahlt wurden. Für die Kommunen: Noch mehr Hartz IV-Bezieher werden unter die Grundsicherung der Rente fallen, also weniger Rente beziehen, als die Grundsicherung vorsieht. Die Differenz bezahlt nicht der Bund, sondern die Kommunen. „Einmal mehr wird der Bund entlastet auf Kosten der Kommunen“.
Auch durch die Streichung der Übergangszahlungen vom Arbeitslosengeld (ALG) I zu II sieht Heisig den sozialen Frieden zunehmend gefährdet. „Wenn eine internationale Firma einen Standort in Deutschland schließt und die Beschäftigten auf einen überfüllten Arbeitsmarkt entlässt, dann kann es blitzschnell gehen. Nach 20 Jahren Arbeit ein Jahr ALG I, danach kommt die Bedürftigkeitsprüfung, Erspartes muss aufgebraucht werden, Haus und Auto möglicherweise verkauft – und wenn alles weg ist, gibt es ALG II“, schildert Heisig das mögliche Schicksal eines Betroffenen. „Kein Wunder, dass die Menschen Angst haben. Und diese Angst wird noch geschürt durch die jüngsten Sparbeschlüsse.“