GELSENKIRCHEN – „Fromm sein und sich politisch einmischen – das gehört zusammen.“ Was sich für viele wie ein Gegensatz anhört, sind die zwei Seiten einer Medaille. Darüber waren sich die knapp einhundert Menschen in der „Kirche der Solidarität“ (Ehrentitel der Bergleute für die Evangelische Apostelkirche in GE-Buer an der Horster Straße 35) Ende Februar einig.
Die Politischen sind zu wenig fromm und die Frommen zu wenig politisch – diese Feststellung des Theologen Jürgen Moltmann war das Thema des 10. Politischen Nachtgebetes, das der Ökumenische Initiativkreis Gelsenkirchen-Bochum vorbereitet hatte. Als Gäste waren dabei: Sr. Gertrud Dederichs von den Missionsärztlichen Schwestern und Oliver Wittke, Generalsekretär der CDU NRW.
„Wer glaubt, fromm sein zu können, ohne sich für die benachteiligten Menschen einzusetzen, für den gilt die Kritik des Propheten Amos: ‚Ich hasse eure Feste. Ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen‘“ so die Ordensschwester aus Bottrop, die auf ein bewegtes Leben voller sozialem Engagement in mehreren Erdteilen zurückblicken kann. Deshalb gehörten auch heute Glaube und Tun untrennbar zusammen. Wittke wünschte sich mehr Einmischung von Christen in die Politik: „Ohne sie geht das nicht gut“, sagte der ehemalige Oberbürgermeister von Gelsenkirchen.
Industrie- und Sozialpfarrer Dieter Heisig zeigte sich erfreut über die Aussagen der Gäste, wollte aber in seiner Ansprache auch nicht verhehlen, dass Auseinandersetzungen anstehen, wenn es um die Konkretionen solcher Aussagen geht. „Die Wertung unseres zukünftigen Bundespräsidenten, was die occupy-Bewegung angeht, kann ich überhaupt nicht teilen. Da gehen die Wege auch auseinander und Verständigung muss erst gesucht werden – so einfach und ohne Probleme ist das Verhältnis von Glaube und Politik nicht“, betonte Heisig.
Vor dem Schlusssegen und der anschließenden Gesprächsrunde gab es für alle Teilnehmenden ein kleines Kreuz, von ehemaligen Kindersoldaten aus Geschosshülsen gefertigt. Es erinnert daran, dass die gute Botschaft der Christen parteilich zur Umkehr ruft. Was das konkret heißen kann, das war Thema bei vielen Gesprächen im Anschluss unter der Empore. „Und das wird sicherlich auch immer wieder Thema bei den nächsten zehn politischen Nachtgebeten sein“, sagte Heisig im Namen des gesamten Initiativkreises.
Im Ökumenischen Initiativkreis Politisches Nachtgebet arbeiten mit: aus Gelsenkirchen Dieter Heisig (Industrie- und Sozialpfarrer), Klaus Wehrhöfer (Kolping), Werner Skiba (KAB), Eckhard Jeczkowski (EAB); aus Bochum Pfarrer Ortwin Pfläging (Ausschuss für Industrie- und Gesellschaftsdiakonie), Pfarrer Bernd Wolharn (Katholische Kirchengemeinde Altenbochum), wechselnde Betriebsräte; aus dem Bistum Essen Berthold Rose und Marie-Luise Langwald; aus der Evangelischen Kirche vonWestfalen Rose Richter (Institut für Kirche und Gesellschaft).