Kühne Baustoff-Kombination

Warum die Stephanuskirche Buer nicht mehr saniert wird

Wunderschön: Der dreieckige Innenraum der Stephanuskirche. Die Kerzen auf dem Altar werden mit Petroleum gefüttert, weil die eigenwillige Thermik normale Wachskerzen einfach ausbläst.

Wunderschön: Der dreieckige Innenraum der Stephanuskirche. Die Kerzen auf dem Altar werden mit Petroleum gefüttert, weil die eigenwillige Thermik normale Wachskerzen einfach ausbläst.

Von innen großartig anzusehen: Die Sanierung eines solchen Fenster-Elementes kostet rund 50.000 Euro.

Von innen großartig anzusehen: Die Sanierung eines solchen Fenster-Elementes kostet rund 50.000 Euro.

Von außen wird sichtbar, wie fragil die Glas-Beton-Stahl-Konstruktion ist. An der schadhaften Stelle schützt ein Holzbrett mehr schlecht als recht vor den Elementen. FOTOS: CORNELIA FISCHER

Von außen wird sichtbar, wie fragil die Glas-Beton-Stahl-Konstruktion ist. An der schadhaften Stelle schützt ein Holzbrett mehr schlecht als recht vor den Elementen. FOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Die sechziger und siebziger Jahre: Voller Begeisterung  experimentierten Architekten und Bauherren mit den neuen Möglichkeiten, Baustoffe zu kombinieren. Vor allem mit Glas, Stahl und Beton ließen sich großartige Gebäude errichten und beeindruckende Wirkungen erzielen. „Dieser Bau soll schon durch seine Gestalt den Eintretenden beglücken und ihm zur Erhebung und Andacht helfen.“ So hieß es 1966 in einem Schreiben der Evangelischen Kirchengemeinde Buer an die Leitung der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die Rede war von der Stephanuskirche an der Westerholter Straße. 1970 wurde das damals geradezu futuristisch anmutende Gotteshaus eingeweiht. Und tatsächlich macht Pfarrerin Karla Wessel auch heute noch die Erfahrung, das ganze Schulklassen, wenn sie hinter dem unspektakulären Vorraum nach rechts in das Kirchenschiff abbiegen, geradezu andächtig stehen bleiben: „Ihre Blicke gehen erst zum Altar und dann immer weiter nach oben.“ Nach den Worten von Inge Vahle, Schöpferin der farbigen Glaswände, die ein Dreieck bilden, wird „die Blickbewegung aus den tiefen, abschirmenden Blautönen in hellere und aktivere Schichten geleitet, ruht bei neutralen und Übergangsfarben aus, um dann hochgeleitet zu werden in den Bahnen der lichten Gelbtöne.“

Leider wird die kühne Kombination aus Glas, Stahl und Beton, die diesen Effekt möglich macht, der Stephanuskirche gut 40 Jahre später zum Verhängnis. Denn die Baustoffe ‚arbeiten‘, und zwar in verschiedene Richtungen. So stimmen die Spannungsverhältnisse zwischen ihnen nicht mehr. Der Stahl rostet, der Beton bröckelt und das Glas bricht. Die Wetterseite der Kirche musste bereits vor einiger Zeit von innen mit einem Abfangnetz bespannt werden, damit etwaige Abplatzungen nicht auf die Kirchenbänke und ihre Benutzer fallen können. Es tropft ein wenig aus undichten Stellen und manchmal gibt es deswegen Kurzschlüsse in der Elektrik.

 

Konzept für alle vier Gebäude-Ensembles

Nun wäre das alles zu reparieren. Teuer würde es allemal. Allein ein Element der Glaswände wieder herzurichten, kostet rund 50.000 Euro – und davon gibt es über 50 Stück in verschiedenen Größen. Was die Sache erst richtig schwierig macht, das ist die Prognose. Wenn alles instand gesetzt wäre – wie lange würde es halten? Dafür gibt es aufgrund der kurzen Geschichte der Baustoff-Kombination noch keine tragfähigen Erfahrungen.

Wahrscheinlich ist noch selten einem Presbyterium eine Entscheidung so schwer gefallen. Da haben wohl manche die Zähne zusammenbeißen oder die Tränen zurückhalten müssen: „Die stark beschädigte Stephanuskirche wird nicht saniert. Nach sorgfältigen Prüfungen konnten die Fachleute nicht garantieren, dass eine etwa 500.000 Euro teure Sanierung die Kirche auch für die nächste Generation in einen stabilen Zustand versetzt.“

Hintergrund dieser Entscheidung für die Evangelische Trinitatis-Kirchengemeinde Buer ist die Notwendigkeit, ein Konzept für alle vier Gebäude-Ensembles in den Stadtteilen Buer-Mitte, Scholven und Hassel zu entwickeln. Das Konzept muss tragfähig sein für die Zukunft und darf der Gemeinde nicht mehr Kosten aufbürden, als sie zu tragen imstande sein wird. „Sich auf nur einen Standort zurückzuziehen, das konnte sich das Presbyterium nicht vorstellen“, berichtete Pfarrerin Karla Wessel. „Denn die Ortsteile Scholven und Hassel sind deutlich eigene Sozialräume.“ Hier werden die Standorte deshalb stark verkleinert, aber sie bleiben für Gottesdienste und Gemeindearbeit bestehen. In Buer-Mitte lassen sich allerdings auf Dauer nicht beide Kirchen und Gemeindehäuser halten. Von der Stephanuskirche geht man gut zu Fuß in kaum 15 Minuten zur Apostelkirche.

 

Keine Haushaltsmittel mehr einsetzen

Zusätzlich zu ihren baulichen Problemen verschlingt die Stephanuskirche Jahr für Jahr beträchtliche Heizkosten. Wie viel Wärme auch immer produziert wird – sie steigt nach oben und da hat sie viel Platz, während die Menschen unten aufgrund der Thermik in einem kalten Luftzug sitzen (oder stehen: Die Autorin stand während der Recherche rund zehn Minuten am Altar und erstarrte zum Eisblock). So war die Entscheidung gegen die Stephanuskirche unumgänglich.

In einer Gemeindeversammlung hat das Presbyterium den Mitgliedern seine Entscheidung erklärt. „Manche sind wohl gar nicht erst gekommen, weil sie ahnten, was anstand und es nur schwer ertragen konnten“, vermutete Pfarrerin Wessel. „Andere fragten ganz pragmatisch: Was können wir jetzt tun, damit uns die Kirche möglichst lange erhalten bleibt?“ Tatsächlich soll die Stephanuskirche nicht sofort geschlossen werden. Doch mit der Entscheidung gegen die Sanierung darf das Presbyterium auch keine Haushaltsmittel mehr einsetzen, um sie zu erhalten. Deshalb braucht die Gemeinde Spenden, um wenigstens die kleineren Schäden zu reparieren, damit die Elektrik weiter funktioniert, und um die immensen Betriebskosten zu stemmen.

„Zwei bis drei Jahre brauchen wir diese Kirche bestimmt noch, weil auch an der Apostelkirche und dem dortigen Gemeindehaus Einiges gemacht werden muss“, so Pfarrerin Wessel. Unter anderem denkt man über Umbaumaßnahmen nach, damit das ehrwürdige Gemeindehaus an der Horster Straße für die Gemeindearbeit im gesamten Ortsteil Buer-Mitte ausreichende Möglichkeiten bietet.

Über jede Spende für den weiteren Betrieb der Stephanuskirche freut sich (nicht nur) der „Förderverein der Evangelischen Trinitatis-Kirchengemeinde Buer“, Konto 160 16 10 10 bei der Sparkasse Gelsenkirchen, Bankleitzahl 420 500 01, Stichwort „Reparaturen / Betriebskosten Stephanuskirche“.