Kein Thema für die Kaffeetafel

98-Jährige spricht über ein Tabu

Dr. Hubertus Nottberg, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, und Gefäßchirurgie, mit seiner glücklichen Patientin. FOTO: CORINNA LEE

 

<typohead type="1">GELSENKIRCHEN – 18 Jahre lang hatte sie unter ihren Beschwerden gelitten und ist nicht zum Arzt gegangen. „Noch nicht einmal meinen engsten Freunden oder der Familie habe ich davon erzählt.“ Das Problem mit dem Stuhlgang ist eben kein Thema für die Kaffeetafel. Es ist ein Tabuthema, vor allem bei der älteren Generation, die es am häufigsten betrifft. Deshalb möchte die Patientin auch nicht genannt werden. Von ihren Erfahrungen berichten hingegen, das möchte sie unbedingt. „Es ist wie ein Wunder, wie gut es mir jetzt geht“, erzählt die 98-Jährige. „Wenn ich wüsste, dass ich noch drei Tage zu leben hätte, würde ich die Operation sofort wieder machen lassen.“ </typohead>

Ein Rückblick: Bereits vor 18 Jahren wurde ihre Schließmuskelschwäche erfolglos behandelt. Aus Angst vor einem erneuten Eingriff und den anschließenden Schmerzen ging sie nicht mehr ins Krankenhaus. Vor vier Monaten jedoch wurde ihr Leiden unerträglich. „Mein Leben drehte sich nur noch um den Toilettengang. Ich habe mich so geschämt und hatte keine Lebensfreude mehr. So wollte und konnte ich nicht mehr weiter leben.“ Auf Empfehlung ging sie in die Evangelischen Kliniken zu Dr. Hubertus Nottberg. Der erfahrene Chefarzt für Allgemein-, Viszeral-, und Gefäßchirurgie behandelt jährlich 600-800 Patienten mit diesen und ähnlichen Problemen: „Darmentleerungsstörungen beeinträchtigen in höchstem Maße die Lebensqualität. Die Menschen fühlen sich nicht mehr gesellschaftsfähig, können kaum noch ausgehen. Doch ihnen kann geholfen werden.“

Die Lösung heißt „Darmlifting“. Dazu ist kein Bauchschnitt nötig, denn rektal, also durch den After, wird ein Stück des Darms gekürzt.  Die ursprünglichen anatomischen Körperstrukturen werden wieder hergestellt. Die Beckenbodenmuskulatur wird aktiviert und wieder angehoben. Die ganze Operation dauert nur 30-45 Minuten und wird von der Krankenkasse bezahlt. Nach drei bis fünf Tagen können die Patienten beschwerdefrei nach Hause gehen.

Um ein „Darmlifting“ durchzuführen, sind modernste Operationsmethoden und große Erfahrung notwendig. Beides hat sich Dr. Nottberg angeeignet, unter anderem durch Hospitationen im Ausland und in chirurgischen Trainingszentren.

Rund 5.000 Menschen in Gelsenkirchen, schätzt der Chefarzt, sind von dem Leiden betroffen, das ein Darmlifting erforderlich macht. „Darüber zu sprechen, ist mit so großer Scham besetzt, dass sie erst zu uns kommen, wenn sie nichts mehr halten können.“ – „Ich habe erst jetzt gelernt, darüber zu sprechen“, so die glückliche fast Hundertjährige. „Ich würde jedem mit einem solchen Leiden dazu raten, diese Operation machen zu lassen.“ LEE