Jede Szene eine Uraufführung

Beim Improvisationstheater wird Inklusion vorgelebt

Eine Szene aus dem Training: „Jeder Mensch ist wirksam. Inklusion ist, wenn er dies spürt.“ So beschreibt Jörg Kasper, Leiter der Begegnungs- und Beratungsstelle "Kontakte", seine Erfahrungen mit dem Inklu-Impro-Theaterprojekt. FOTO: JUTTA TAPPE

Eine Szene aus dem Training: „Jeder Mensch ist wirksam. Inklusion ist, wenn er dies spürt.“ So beschreibt Jörg Kasper, Leiter der Begegnungs- und Beratungsstelle "Kontakte", seine Erfahrungen mit dem Inklu-Impro-Theaterprojekt. FOTO: JUTTA TAPPE

GELSENKIRCHEN – Inklusion, eine der zweifellos drängenden Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention, ist weit mehr als Integration. Das war den Beteiligten der frisch gegründeten inklusiv und trägerübergreifend besetzten Gelsenkirchener Arbeitsgruppe im Jahr 2014 klar. Nur, wie sollte man sie entwickeln? Welche Veränderungen waren erforderlich? Galt es, das Rad neu zu erfinden? Es folgte ein intensiver Diskussionsprozess. Bald zeigte sich: Das gemeinsame Tun lässt krankheitsbedingte Unterschiede bedeutungslos werden.


Zweimal im Monat wird trainiert

So wurde den Beteiligten klar: Inklusion kann nicht am Sitzungstisch entwickelt werden, Inklusion muss gelebt werden. Sie wird nicht von einer Personengruppe für eine Personengruppe entwickelt, denn an ihr sind alle beteiligt. Bei der Fragestellung, wie diese Erkenntnis nun weiteren Menschen näher gebracht werden könne, entstand bald Einvernehmen. "Man muss es ihnen vorleben!" So kam man rasch überein, dass das Medium des Theaterspiels das Mittel der Wahl ein sollte.

Heute stehen Besucher*innen und Mitarbeiter*innen der Begegnungs- und Beratungsstelle "Kontakte", der Beratungsdienste des Diakoniewerkes Gelsenkirchen und Wattenscheid e.V., gemeinsam mit Besucher*innen und Mitarbeiter*innen weiterer Gelsenkirchener Träger zwei Mal im Monat auf der Bühne und trainieren, angeleitet von Karin Badar, Theaterpädagogin und Schauspielerin, das Improvisations-Theater-Spiel.


„Kontakte“: Intensive Hilfen für psychisch Erkrankte

Die Begegnung- und Beratungsstelle "Kontakte" der Beratungsdienste des Gelsenkirchener Diakoniewerkes kümmert sich schon seit 1986 um die Belange psychisch erkrankter Menschen. In sehr intensiver und lang angelegter Weise tut sie dies im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnens. Hier werden Menschen innerhalb ihres Wohn- und Lebensumfeldes unterstützend begleitet. Im Rahmen eines Case-Managements um verschiedene notwendige Hilfen wird ein Leben außerhalb stationärer Wohnformen, solange es fachlich zielführend erscheint, ermöglicht. Die psychosoziale Beratung richtet sich an Menschen in psychisch bedingten Krisensituationen, die neben Weiterem ggf. auch die Aufnahme von Arbeit erschweren. Sie geht hierbei weit über das regelmäßige Beratungsgespräch hinaus. Schließlich hält die Kontaktstelle mit vielfältigen Gruppenaktivitäten für psychisch erkrankte Menschen an allen Werktagen und punktuell auch an Wochenenden innerhalb wie auch außerhalb der Räumlichkeiten der Dienststelle ihre Angebote vor. Diese haben zum Teil therapeutischen Charakter, verstehen sich jedoch auch als rein Freizeit strukturierende, Kontakt stiftende Angebote.


Das Impro-Spiel kennt keine Fehler

Eines hiervon ist die begleitete Teilnahme am Inklu-Impro-Theaterprojekt-Gelsenkirchen. Seit der Gründung im Jahr 2015 kam es bereits zu zahlreichen Auftritten. Hier ist jede Szene eine Uraufführung, denn sie entsteht im Moment und mit Unterstützung des Publikums, das eingeladen ist, zu jeder Szene Vorgaben einzubringen. Bei etwas Lampenfieber ist hier Spontanität gefragt. Das ist nicht einfach, aber im Bewusstsein, dass das Impro-Spiel keine Fehler kennt, entwickelt sich ein wohliges Gefühl individueller Grenzerweiterung, individueller Selbstwirksamkeit. So ist das Impro-Theater-Spiel ein wirksamer therapeutischer Ansatz und inklusives Agieren selbstverständlich. Nebenher entsteht unter den Beteiligten und natürlich auch im Publikum ein ungeheurer Spaß, und der ist allemal gesundheitsfördernd.

All dies ist nicht zum Nulltarif zu haben. Neben dem Diakoniewerk Gelsenkirchen gehören das Sozialwerk Sankt Georg, die Flora Gelsenkirchen, das Referat Gesundheit der Stadt, sowie die AG der Gelsenkirchener Behindertenverbände und Selbsthilfegruppen zu den finanziellen Förderern.