GELSENKIRCHEN – Sonntag, 11. September, kurz vor 14 Uhr in der Gelsenkirchener Innenstadt: Mehrere Pavillons und ein Transporter vom katholischen Jugendzentrum Gelsenkirchen, dem Philipp-Neri-Zentrum, stehen im Regen auf dem Margarethe-Zingler-Platz. Unter einem der Pavillons verkauft der türkisch-islamische Kulturverein DITIB Getränke und türkische Snacks. Ein umfunktionierter Sonnenschirm und eine Plastiktüte schützen die Elektronik auf der Bühne vor dem Regen. Gut 100 Besucher halten sich auf dem Platz auf.
Der Regen hört pünktlich auf, als die Vorsitzende des interkulturellen Arbeitskreises, Pfarrerin Kirsten Sowa aus Rotthausen, ans Rednerpult tritt. Zusammen der Katholischen Stadtkirche Gelsenkirchen, der Jüdischen Gemeinde, dem islamischen Kulturverein DITIB und der Gelsenkirchener Polizei hat sie ein Jahr lang diese Feier vorbereitet. „Menschen unterschiedlicher Religionen, Nationalitäten und Kulturen – und doch haben wir mindestens eines gemeinsam: Wir wollen miteinander leben, friedlich, mit Respekt und Toleranz. Der 11. September 2001 hat die Welt verändert, er hat die Welt erschüttert.“ So beginnt sie ihre Ansprache, an die sich eine Gedenkminute anschließt. Danach spricht Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, ihr Friedensgebet. Nach der anschließenden Lesung der Seligpreisungen aus der Bergpredigt (Mt 5) folgt die Botschaft der muslimischen Theologen der DITIB: „Allah hat uns in Völker und Nationen aufgeteilt, damit wir uns besser verstehen und näher kommen. ‚Islam‘ bedeutet auf Deutsch in Wirklichkeit: Frieden schaffen. Das weiß kaum jemand. Auf dieser Unkenntnis beruhen wohl die meisten Vorurteile und Missverständnisse über den Islam. Der Islam versteht sich als die Religion des Friedenschaffens: Der Mensch soll Frieden machen mit Gott, mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen und mit Gottes Schöpfung.“
Nach dem Segen von Pfarrerin Sowa folgt das Grußwort von Oberbürgermeister Frank Baranowski, der sich am 11. September 2001 mit einer Delegation des NRW-Landtags, dem er damals angehörte, im Regierungsviertel von Washington D.C. unweit des angegriffenen Pentagons aufhielt: „Ich werde nie vergessen, wie eine Stadt von einem Moment auf den anderen in den Ausnahmezustand geriet“. Für seine Stadt, in der jeder dritte Einwohner einen Migrationshintergrund hat, lautet sein Prinzip: „Offenheit statt Abschottung“: „Wir alle machen zusammen Gelsenkirchen aus.“
„Mein Glaube sagt mir: Gott lässt sich nicht instrumentalisieren“, äußert sich Propst Wilhelm Zimmermann über die Gewohnheit vieler Fundamentalisten, Gott als Vorwand für die gewaltsame Durchsetzung ihrer eigenen Machtinteressen zu missbrauchen. Die gleiche Meinung vermittelt auch Cesur Özkaya, der bei der Feier die muslimischen Gemeinden vertritt: „Terror hat keine Religion.“
Superintendent Rüdiger Höcker erinnert sich an den Fall der Mauer vor 22 Jahren: „Nachdem die Welt den Kalten Krieg überwunden hatte, hatte ich den Traum, dass jetzt ein Jahrhundert der Gerechtigkeit und des Friedens anbrechen könnte. Am 11. September 2001 zerplatzte dieser Traum.“
Vor der anschließenden Feier äußert Pfarrerin Sowa sich zu dem Plakat des Anlasses: „Wenn eine Taube loslässt, fallen alle drei Religionen hinunter.“