GELSENKIRCHEN – In der Bismarcker Christuskirche war für zwei Monate eine Ausstellung mit Bibeltexten in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache zu besichtigen. Einer der ausgewählten Texte war Psalm 121, dort heißt es unter anderem: „Meine Hilfe kommt von der Ewigen, schau, sie schlummert nicht, sie schläft nicht, die Hüterin Israels.“
Hier wird in weiblichen Begriffen von Gott gesprochen. Wie kommt es zu solch einer Übersetzung? Auf diese Frage gab der Vortrag der katholischen Theologin Dr. Aurica Nutt am 22. September Auskunft.
Dr. Nutt hat sich in ihrer Doktorarbeit mit der Theologie der amerikanischen Ordensfrau Elizabeth Johnson befasst. Johnson hat intensiv die Frage untersucht, wie wir heute von Gott sprechen können. Sie stellte dazu zunächst fest, dass unsere Tradition, auch in der Kunstgeschichte, Gott als Mann darstellt. Aber die Vorstellung von einem männlichen Gott müsse unbedingt kritisch hinterfragt werden. „Eine ausschließlich männliche Rede von Gott täuscht eine Kenntnis vor, die wir nicht haben. Gott ist letztlich unbegreiflich. Alles andere wäre Götzendienst“, argumentierte Nutt. Außerdem bestätige ein männliches Gottessymbol die angebliche Überlegenheit des männlichen Geschlechts, Männer könnten sich mit Gott identifizieren, für Frauen bleibe eine Beziehung zu einem männlich vorgestellten Gott dagegen vielfach problematisch.
Um in der Rede von Gott wieder spürbar zu machen, dass Gott unfassbar sei, brauche es neue, noch nicht abgegriffene Bilder und Worte, die wir für Gott verwenden könnten. Dafür biete sich eine Rede von Gott in weiblichen Bildern an. Selbstverständlich sei Gott auch nicht weiblich, aber weibliche Gottesbilder irritierten, weil sie die traditionelle Rede in Frage stellten. Damit würde die Unbegreifbarkeit Gottes, das Geheimnis Gottes deutlicher formuliert als in traditionellen Formeln.
Entwickelt hat Johnson ihre Gotteslehre in dem Buch „Ich bin die ich bin“, das 1992 in den USA erschien. Dieses Werk wurde mehrfach ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt.
Die Bibel in gerechter Sprache, 2006 veröffentlicht, hat eine eigene Lösung für die Unbegreifbarkeit Gottes in ihrer Übersetzung gefunden. Sie gibt den – eigentlich unübersetzbaren – Gottesnamen JHWH mit einer Fülle verschiedener Ehrfurchtswörter wieder, darunter sind auch viele weibliche Bilder wie „die Ewige“, „die Lebendige“, „die Heilige“. Aber angeboten werden auch Adonaj, „der Name“ oder DU. Der Leser oder die Leserin kann so jeweils selbst auswählen, welches Bild von Gott am besten zur Textstelle passt.
In weiblichen Bildern von Gott zu reden sei sehr fremd, reagierten die Zuhörer. Sie stimmten Nutt jedoch zu, dass das Geheimnis Gottes eher durch ungewohnte Bilder ausgedrückt werden könne als durch die lang vertrauten Worte. Und dass es auf jeden Fall eine wichtige Frage sei, einmal über das eigene Gottesbild nachzudenken und sich zumindest versuchsweise einmal Gott als Frau vorzustellen. röck