Gemeinsam spirituelle Freiräume schaffen

Interview mit Kirsten Czerlikowski, Seelsorgerin und Prädikantin des Evangelischen Seniorenstifts

Diakonin Kirsten Czerlikowski mit dem Leiter des Evangelischen Seniorenstiftes Michael Wiesehahn.

Diakonin Kirsten Czerlikowski mit dem Leiter des Evangelischen Seniorenstiftes Michael Wiesehahn. PHOTO: CORNELIA FISCHER

Zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige und Mitarbeitende des Evangelischen Seniorenstiftes wollten dabei sein, als ihre Seelsorgerin und Kollegin Kirsten Czerlikowski im Rahmen eines Festgottesdienst durch den Superintendenten zur Prädikantin beauftragt wurde. Es war schwierig, noch einen Sitzplatz in der Cafeteria des Seniorenstiftes, der die Kapelle angegliedert ist, zu bekommen. Als Assistenten standen Superintendent Rüdiger Höcker, der Krankenhausseelsorger Pfarrer Klaus Bombosch und Diakoniepfarrer Matthias Kreft zur Seite. Der theologische Vorstand Kreft betonte seine Freude über die Beauftragung von Kirsten Czerlikowski und sagte in seinem Grußwort: „Sie, liebe Frau Czerlikowski, brachten als ausgebildete Sozialarbeiterin, Religionspädagogin und Diakonin bereits eine Menge Berufserfahrung mit. Wir hatten den Eindruck, dass Sie schnell Kontakt zu Menschen finden und Vertrauen aufbauen können. Ihre Frömmigkeit, aber auch Ihre Fröhlichkeit und Offenheit haben uns überzeugt und auch gleich ein bisschen angesteckt.“

Zu ihrer seelsorglichen Arbeit im Evangelischen Seniorenstift hat Corinna Lee der frischgebackenen Prädikantin einige Fragen gestellt.


Was bedeutet für Sie Seelsorge in einem Seniorenstift?

Sorge für die Seele zu tragen ist, gerade in einem Seniorenstift, unbedingt wichtig und sicherlich für alle Beteiligten auch eine Herausforderung. Es geht darum, den Menschen in seiner neuen, sensiblen Lebenssituation wahr- und ernst zunehmen, ihn hilfreich zu unterstützen und die ureigenen Bedürfnisse, gerade auch im spirituellen Bereich, zu fördern und Freiräume zu schaffen.Als Diakonin möchte ich ein Stück auf diesem Weg mitgehen und mitgestalten.


Welche Angebote machen Sie für Bewohner, Angehörige oder Mitarbeitende?

Die Angebote im seelsorglichen Bereich leben von einer vertrauensvollen Basis. Die geschenkte Zuwendung und Zeit sind tragende Aspekte. Dies gilt für alle Menschen, denen ich in unserem Haus begegne. Eine spontane Unterhaltung auf dem Flur hat seinen Platz wie dass Vier-Augen-Gespräch im Zimmer.

Über die Woche verteilt gibt es Gottesdienste mit anschließendem Kirchcafé, Andachten auf den Wohnbereichen, das Chorprojekt und das Rosenkranz Beten. Dazu dürfen sich auch Angehörige einfinden. Monatlich gibt es für die Angehörigen die Möglichkeit, an einer „Selbsthilfegruppe“ teilzunehmen. Gerade da, wo sich Familienmitglieder demenziell verändert haben, braucht es für die Angehörigen einen geschützten Raum für die aufkommenden Fragen und Ängste.

Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen ist enorm wertvoll. Sehr hilfreich sind da die gemeinsamen Treffen außerhalb der Dienstzeit. Hier findet sich die Zeit zur „anderen“ Begegnung, gerade auch in den Andachten.

Darüber hinaus bin ich gerne für ein Telefongespräch zu erreichen oder für einen Besuch zu Hause anzufragen.


Wie wichtig ist Ihnen die Beauftragung?

Die Beauftragung für Wort und Sakramentverwaltung eröffnet mir die Erweiterung meines Aufgabengebietes. Ich werde zukünftig das Abendmahl mit unseren Bewohnern und Gästen feiern können. Dies möchte ich gerne vier Mal im Jahr innerhalb eines Gottesdienstes tun und darüber hinaus einmal im Monat für jeden Wohnbereich anbieten. Ob es vielleicht auch mal eine Taufe oder eine Trauung zu feiern gibt? Schön wäre es!

Des Weiteren bin ich nun beauftragt, die Verstorbenen unseres Hauses (wenn keine andere Option besprochen ist) beizusetzen. Dies ist,gerade nach der Zeit der Sterbebegleitung und der Aussegnung, eine wertvolle Form der letzen Begegnung.


Welche Stellung hat Spiritualität in Ihrer Arbeit für Sie persönlich?

Spiritualität ist ein sehr filigraner Bereich. Jede und Jeder von uns ist da angefüllt, von ihren und seinen sehr persönlichen Erfahrungen, Hoffnungen, Enttäuschungen und Fragen. Es braucht Sensibilität und Geduld, wenn Menschen sich auf dieser Ebene begegnen, sich austauschen und neue Erfahrungen sammeln möchten.

Welches Gottesbild prägt unser Reden und Tun? Wie kann ich meinem Gesprächspartner von meiner Glaubensreise erzählen und Raum für seine Ideen lassen? Gerade da, wo die Generationen zueinander finden, ist es wichtig, Traditionen lieb zu behalten und Neues immer wieder einzuladen. Sich daran zu erfreuen, dass es so vielfältige Farben und Formen des Glaubens und der gelebten Spiritualität gibt, sollte unseren gemeinsamen Alltag heller und farbenfroher gestalten.

Denn genau das sollte für das Leben ein tragfähiges und lebendiges Fundament sein. Es braucht also auch etwas Mut, aus seiner Komfortzone herauszutreten und sein Bekenntnis sichtbar und hörbar vor die Menschen zu bringen.

Für mich ganz persönlich ist es wichtig, authentisch zu sein. In meinem Leben gab und wird es sicherlich „Glaubenshöhenflüge und Glaubenskrisen“ geben. Diese Erfahrungen prägen sicherlich auch die professionelle Gestaltung der spirituellen Inhalte und Angebote. Mein Wunsch ist es da: Gesprächspartner und Geschwister im Glauben zu finden, mit denen ich meinen persönlichen „Glaubenshorizont“ erweitern kann.


Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihren Aufgabenbereich in der Zukunft?

Die Menschen, die mir in  meinem Dienst anvertraut sind, möchte ich auch weiterhin erreichen und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Schön wäre es, wenn es gelingen könnte, die Angehörigen zu motivieren, noch intensiver und präsenter am Leben in unserem Haus teilzuhaben.

Eine weitere Zielsetzung ist dieVernetzung mit anderen Institutionen und Kirchengemeinden. Ein Teil der „Außenwelt“ zu bleiben und die „Welt“ zu uns einzuladen, ist bei einigen Festivitäten, wie zum Beispiel an einem Tag der offenen Tür, bereits gut gelungen.

Über all dem stehen der Wunsch und die Herausforderung, die gute Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen, mit Leben zu erfüllen und sich jeden Tag neu, darauf zu beziehen – mit dem Vertrauen darauf, dass ich selbst und wir alle auf Gottes guten Geist unsere Zuversicht setzen dürfen.