Draußen auf dem Marktplatz lärmende Fröhlichkeit, Karussells und Riesenrad drehen sich in buntem Neonlicht. Drinnen in der Kirche wird an all die Gewalt, den Hass, die Verzweiflung der Menschen im Nahen Osten erinnert.
Christiane Makulski, Prädikantin und Assistentin des Superintendenten sowie Dirk Blum, Prädikant und Presbyteriumsvorsitzender der Evangelischen Emmaus-Kirchengemeinde Gelsenkirchen, gestalteten diese Andacht gemeinsam mit Superintendent Heiner Montanus. „Ein Jahr ist vergangen. Die Gewalt ist geblieben. Der 7. Oktober: Ein terroristischer Angriff der Hamas, Geiselnahmen, Folter, Vergewaltigung und Mord. Israels militärische Reaktion – unzählige zivile Opfer. Seither herrscht die Gewalt. Menschen tragen sie hin zu Menschen“, hieß es in den Klagerufen. „Kaum zu ermessen ist, was Menschen in Israel und Palästina zu tragen haben: Trauer, Angst, Verzweiflung, Wut und Bitterkeit.“
In der Alten Kirche liegt ein Buch aus, in das die Besucher ihre Gedanken und Wünsche eintragen können. Jemand hat hineingeschrieben: „Schenke uns Frieden!“
Aber wie kann Frieden im Nahen Osten Wirklichkeit werden? In der Kirche wurden an diesem Sonntag Stimmen verschiedener Menschen aus der Konfliktregion vorgetragen. „Ich möchte keine Trennung haben. Ich möchte gemeinsam in Israel und Palästina leben, als Juden und Palästinenser. Wir brauchen viel Gebet dafür, dass endlich die Augen aufgetan werden nach diesem Krieg.“ Diesen Wunsch äußerte Bischof Dani-Ibrahim Azar von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land bei einem Vortrag in Berlin. Und Dr. Sarah Bernstein, Direktorin des Rossing Centers in Jerusalem schrieb in einem Blog-Text: „Dennoch müssen wir selbst in diesem intensiven Zustand der Angst und Beklemmung die Stärke und Menschlichkeit aufbringen, um mit den unschuldigen Menschen auf der anderen Seite mitfühlend zu sein. Kinder, die oft als die unschuldigen Opfer des Krieges bezeichnet werden, erleben die Gräuel, die sich um sie herum abspielen.“ Dabei sollten die Bilder von leidenden Kindern in Gaza und Israel nicht nur durch die Linse der nationalen Zugehörigkeit oder der politischen Zugehörigkeit gesehen werden. Mitgefühl, so Bernstein in ihrem Blog, sei kein Nullsummenspiel. Es werde nicht dadurch geschmälert, dass man es auf diejenigen ausdehne, die als die „Anderen“ wahrgenommen würden. „Möge das Mitgefühl zu einem Leuchtfeuer werden, das die Dunkelheit des Hasses und der Zerrissenheit durchdringt. Möge es eine Kraft sein, die verbindet, statt zu trennen, und ein Hoffnungsschimmer für eine Zukunft sein, in der Frieden nicht nur ein ferner Traum, sondern eine spürbare Realität ist.“
Auch in den folgenden Fürbitten wurde um Frieden für die Menschen in Israel, in Gaza, im Jordanland, im Libanon, aber auch hier bei uns gebetet. „Wir bitten dich, lass nicht zu, dass wir Menschen unfähig werden zum Frieden. Auch in unserer Gesellschaft haben Bedrohung, Angst und Hass zugenommen. Menschen jüdischen Glaubens fühlen sich nicht mehr sicher. Aber auch Menschen muslimischen Glaubens erfahren Anfeindung und Ablehnung. Lass uns erkennen, dass wir alle nach deinem Bild geschaffen sind und dass Du uns als Juden, Christen und Muslime zum Frieden rufst.
Und die Gemeinde stimmte bei den Fürbitten immer wieder ein: „Gott, wir bitten dich: Zeige uns den Weg zum Frieden.“
Mit der Kollekte der Andacht soll ein Projekt unterstützt werden, dass eine Brücke zwischen den verschiedenen Religionen schlägt, ein deutsches Gymnasium auf Hügeln im Westjordanland gelegen.
„Schenke uns Frieden“! Ob sich dieser Wunsch für die Notleidenden des Nahost-Konflikts wohl jemals erfüllen wird? Frauke Haardt-Radzik
Text: Frauke Haardt-Radzik
Fotos: Cornelia Fischer