„Freude, schöner Götterfunken“: Pfarrerin aus Gelsenkirchen erlebt Weltrekord hautnah

Recklinghausen/Gelsenkirchen - Noch am Vormittag des 6. Juli 2025 sah es nicht danach aus, als könnte der Rekordversuch gelingen. Es regnete, mal leise, mal in Strömen. Und doch stand am Ende des Tages fest: in Recklinghausen wurde Musikgeschichte geschrieben. 1.353 Streicherinnen und Streicher spielten gemeinsam Beethovens „Ode an die Freude“ – und brachen damit den bisherigen Weltrekord für das größte Streichorchester der Welt.

Pfarrerin Gerda Gödde gehörte zu den 1353 Musiker*innen die in Recklinghausen den neuen Weltrekord aufstellten.

Mitten in diesem besonderen Moment: Pfarrerin Gerda Gödde. Seit Dezember 2024 ist sie Vertretungspfarrerin im Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. „Eigentlich müssten wir als Kirche ja von Berufs wegen an Wunder glauben“, sagt sie schmunzelnd. „Aber an diesem Sonntag habe ich erlebt, wie sich Zweifel und Hoffnung in Musik verwandeln können.“

Der Tag begann wenig verheißungsvoll: In Gelsenkirchen regnete es bereits am Morgen. Auch in Recklinghausen tröpfelte es. Vor dem Rathaus standen lange Schlangen – Menschen aller Altersgruppen, mit Geigenkästen, Bratschen und Celli auf dem Rücken. Helferinnen und Helfer schleppten im Regen Stühle auf den Platz, während die Teilnehmenden in Plastik-Umhängen Schutz suchten.

„Es gab Zweifel, ob das bei dem Wetter klappen kann“, gibt Gödde zu. „Aber dann hörte es plötzlich auf zu regnen.“ Fünf Minuten vor dem geplanten Start: Der Himmel klart auf, ein A erklingt vom Podium. Instrumente werden hastig gestimmt. Und dann, Punkt 15 Uhr, hebt Generalmusikdirektor Rasmus Baumann den Taktstock – und 1.353 Streicher stimmen Beethovens „Ode an die Freude“ an. „Es war ein unglaublicher Moment“, sagt Gödde.

„Während auf dem Rathausplatz die Musik Menschen verbindet, wird woanders wieder über Grenzkontrollen debattiert. Und hier erlebe ich: Menschen setzen sich nebeneinander und spielen einfach los“, sagt die Pfarrerin. „Herkunft, Hautfarbe, Qualifikation – alles vergessen“, so die Pfarrerin.

Nach dem letzten Ton: banges Warten. Waren es genug Teilnehmende? Haben sie lange genug gespielt, um den Rekord zu knacken? Dann die Information und Jubel: Es hat gereicht!
1.353 Streicher*innen – mehr als je zuvor auf der Welt. Es regnet erneut – diesmal Konfetti.
Nun hängt die Urkunde über die Teilnahme am geglückten Rekordversuch in Pfarrerin Göddes Büro.

„Die Urkunde ist schön, aber wichtiger ist das, was wir da erlebt haben“, sagt sie. „Freude kann verbinden – quer durch Generationen, quer durch Herkunft. Vielleicht brauchen wir im Alltag viel öfter solche Momente.“ Und dann zitiert die Pfarrerin einen Satz, der ihr seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht: Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.
„Vielleicht müssten wir manchmal einfach mehr auf die Musik hören – und weniger auf das, was uns trennt.“


Text und Foto: Katrin Oelbracht