„Es ist wichtig, dass ich mich zeige, dass gesehen wird, dass wir gegen Antisemitismus sind!“

Beeindruckender Schweigezug von der Synagoge zum Schalker Markt

Vor der Synagoge wurde zu Beginn der Gedenkveranstaltung das Kaddisch, eines der wichtigsten Gebete im Judentum, gesprochen. Foto: CORNELIA FISCHER

In diesem Jahr ging der Schweigezug zum Schalker Markt. Seit einiger Zeit bemüht sich der FC Schalke 04, als einer der ersten Fußballvereine, seine Vergangenheit aufzuarbeiten und sagt, dass man jüdische Vereinsmitglieder, jüdische Spieler und einen jüdischen Präsidenten hatte. Foto: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 organisierten die Nationalsozialisten ein Pogrom gegen die noch in Deutschland lebenden jüdischen Menschen. In dieser „Reichskristallnacht“ wurden auch die Synagogen in Gelsenkirchen und Buer angezündet, zahlreiche Geschäfte zerstört und Menschen inhaftiert.
Seit 1964 erinnern Menschen in Gelsenkirchen jedes Jahr am 9. November an die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung in der NS-Zeit. Die Novemberpogrome des Jahres 1938 waren ein brutaler Höhepunkt dieser andauernden Diskriminierung.

Demokratische Initiative lädt seit Jahren zur Kundgebung

Zum Gedenken veranstaltete die Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen, dessen Mitglieder u.a. der Evangelische Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid und das Diakonische Werk sind, auch in diesem Jahr am 9. November eine Demonstration und Kundgebung.
Zunächst trafen sich etwa 500 Menschen vor der Neuen Synagoge in der Georgstraße. Jedes Gespräch erlosch, als Aaron, ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, das Gebet für die ermordeten Juden Europas sehr bewegend anstimmte. Anschließend sprach Alfred Brechner, ebenfalls von der Jüdischen Gemeinde, das Kaddisch, das Gebet der Trauernden.

Etwa 500 Menschen zogen von der Synagoge zum Schalker Markt

Und dann setzte sich ein langer Zug mit vielen jungen und älteren Menschen in Bewegung. „Ich finde es wichtig, dass ich mich zeige, dass sichtbar wird, wir sind gegen Antisemitismus und Rassismus“, formulierte eine junge Frau ihr Motiv, hier mitzugehen. Unter dem Arm hält sie eine Fahne der Falken, die bereits seit vielen Jahren an diesen Kundgebungen teilnehmen. Manche sind wiederholt dabei, andere zum ersten Mal: „Wir sind aus Bochum hierhergekommen, es ist wirklich sehr bewegend“, stellt ein älterer Mann fest.
Der Weg führte über die Kurt-Schumacher-Straße und Schalker Straße zum Schalker Markt. An dem Ort, an dem der FC Schalke 04 seine größten Erfolge feierte, wurde gemeinsam bekundet, dass die Menschen in Gelsenkirchen die Verbrechen des „Dritten Reiches“ nicht vergessen haben.
„In unser diesjähriges Gedenken schließen wir, stellvertretend für alle Opfer des NS-Terrors, ausdrücklich die Mitglieder, Förderer und Spieler des FC Schalke 04 ein, zum Beispiel Leo Sauer und Ernst Alexander, die aus bösartigem Hass aus ihrer Heimatstadt vertrieben und ermordet wurden“, heißt es in der Erklärung der Demokratischen Initiative.
Christina Rühl-Hamers, Vorständin des FC Schalke 04, hielt eine Erinnerungsrede, in der sie an klaren Beispielen aufzeigte, wie es damals funktioniert hat, das Verdrängen, das Nichthinschauen: „ Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass sondern Gleichgültigkeit! Jüdische Mitmenschen wurden ausgegrenzt und verfolgt, in vorrauseilendem Gehorsam wurden auch auf Schalke Juden ausgegrenzt. Wir Schalker müssen uns einer unbequemen Wahrheit stellen!“

FC Schalke 04 arbeitet seine düstere Vergangenheit auf

Seit einiger Zeit bemüht sich der Verein, als einer der ersten Fußballvereine, seine Vergangenheit aufzuarbeiten und sagt, dass man jüdische Vereinsmitglieder, jüdische Spieler und einen jüdischen Präsidenten hatte. Rühl-Hamers endet mit dem starken Appel: „Der FC Schalke wird nie wieder gleichgültig sein, Glückauf!“

Und auch Karin Welge, Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen, und Schirmherrin der Demokratischen Initiative, fordert ein deutliches Zeichen für Demokratie, Erinnerung, gegen Hass und Ausgrenzung. „Seien wir achtsam“, auf Hetze müsse immer wieder genau geachtet werden. Dann soll sich auch so etwas wie im Mai dieses Jahres niemals wiederholen!  Da kam es in Gelsenkirchen zu rechtsextremen, antisemitischen und rassistischen  Übergriffen, Beleidigungen und Bedrohungen ebenso wie Sachbeschädigungen und Friedhofsschändungen. Und eine aufgehetzte Menschenmenge belagerte die Synagoge und skandierte antisemitische Parolen. „Seien wir also wachsam!“