GELSENKIRCHEN – „Als morgens um 8.30 Uhr das Telefon klingelte, da klopfte mein Herz ein wenig schneller und lauter. Ich wusste sofort, was das war.“ Annette Berg (56) hatte Bereitschaftsdienst in der Notfallseelsorge (NFS) – zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie musste nicht gleich ganz alleine los, sondern begleitete Pfarrerin Elisabeth Biermann. Dennoch ist es schwierig, ruhig zu bleiben, wenn man weiß, dass etwas Schreckliches geschehen ist, aber nicht weiß, wie die Situation am Einsatzort aussehen wird.
Berg hat das Erlebnis „gut verarbeitet, ich war zufrieden mit mir.“ Was bei der NFS zu tun ist, aber auch, wie sie nach dem Einsatz wieder Abstand gewinnen kann, das hat sie mit 17 weiteren engagierten Ehrenamtlichen ein knappes Jahr lang gelernt. Alle 14 Tage trafen sich die angehenden Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger mit Pfarrer Peter Rutz und Pfarrerin Elisabeth Biermann. Jeweils vier Stunden lang ging es um Themen wie Stresstheorie und Psychotraumatologie, Organisationsstrukturen bei den Einsätzen, Umgang mit eigenen Belastungen, rechtliche Rahmenbedingungen und Rituale im Einsatz. „Am Ende haben wir uns als Gruppe noch zwei weitere Praxisblöcke gewünscht – und das war auch gut so“, blickte Klaus Ebeling zurück. „Darin ging es auch noch einmal um das Halten einer Andacht. Danach habe ich mir Texte herausgesucht und umformuliert. Die Worte müssen nämlich wirklich meine sein, sonst wäre es für mich nicht authentisch.“ Der 58-Jährige ist pensionierter Berufssoldat und passionierter Motorradfahrer. „Ich musste etwa im Kosovo schon viele Notsituationen sehen und erleben.“ Privat gab ihm die Biker’s Helpline den Anstoß, sich in der Notfallseelsorge zu engagieren. „Motorradunfälle passieren nicht unbedingt da, wo ich wohne. Doch ich wollte in meinem Umfeld etwas tun.“
„Ich will etwas zurückgeben“
Ebenso wie Ebeling hatte Annette Berg von der NFS in der WAZ-Lokalausgabe gelesen. „Mir geht es gut, ich bin glücklich verheiratet, habe ein tolles Kind – und hatte auch schwere Zeiten, in denen andere für mich da waren. Davon will ich etwas zurückgeben.“ Außerdem geht die Verwaltungsangestellte beim Bergmannsheil bald in Rente und will sich rechtzeitig neuen Aufgaben stellen.
Die 18 Männer und Frauen, die den Grundkurs NFS durchlaufen haben, sind kürzlich für ihren Dienst eingesegnet worden. Dazu gab es einen ökumenischen Festgottesdienst im Ökumenischen Zentrum St. Ida. Superintendent Rüdiger Höcker und Pfarrer Alois Beukenbusch, der den scheidenden Propst Wilhelm Zimmermann vertrat, machten deutlich, dass diese besondere Seelsorge im Auftrag der Kirchen geschieht und die Evangelische ebenso wie die katholische Kirche sich ihrerseits verpflichten, für gute Aus- und Weiterbildung zu sorgen und die Ehrenamtlichen in ihrem Dienst zu begleiten.
Mindestens 48 Stunden im Quartal
Die Grundausbildung ebenso wie Fortbildungen und Begleitung geschehen in Gelsenkirchen durch den Evangelischen Kirchenkreis. Pfarrerin Elisabeth Biermann und Pfarrer Peter Rutz arbeiten beide mit halbem Dienstumfang hauptamtlich in der NFS. „Damit Feuerwehr und Rettungsdienst uns jederzeit erreichen, können wir die Einsatzbereitschaft rund um die Uhr nur gemeinsam mit den Ehrenamtlichen sicher Stellen“, so Rutz. Klaus Ebeling trägt sich vorzugsweise abends und nachts zwischen 18 und 6 Uhr zum Bereitschaftsdienst ein „Tagsüber hält mich mein vierjähriger Sohn auf Trab.“ Annette Berg kann vorerst nur an den Wochenenden. „Das richtet sich ganz nach den individuellen Möglichkeiten“, sagte Pfarrerin Biermann. „Die Mindestanforderung sind 48 Stunden Bereitschaft im Quartal.“
Der Termin für den nächsten Grundkurs in Gelsenkirchen steht derzeit noch nicht fest. „Interessierte können aber an Kursen in der Umgebung teilnehmen, die von Hauptamtlichen in den Nachbarkirchenkreisen durchgeführt werden“, erklärte Biermann. Informationen dazu stehen im Netz unter www.notfallseelsorge.de.