GELSENKIRCHEN – Wer bei der Premiere des Lesecafés der Elisabeth-Käsemann-Familienbildungsstätte am 26. Februar nicht früh genug da war, musste sich schnell einen der wenigen freien Plätze sichern oder gleich selber Stühle schleppen. Vierzig erwartungsfreudige Gäste begrüßte Heidi Wiesner, Leiterin der Einrichtung, im Café bei Kirchens der Evangelischen Kirchengemeinde Bulmke. Gemeinsam mit Bibliothekar Ullrich Spiegelberg rückte sie für den ersten Nachmittag das Thema „Humor“ in den Mittelpunkt der Betrachtung.
"Wat is überhaupt Humor für Sie?"
Kaffee und Kuchen, garniert mit ein bisschen monoton rezitiertem Kästner – so könnte ein Lesecafé aussehen. Aber nicht mit Spiegelberg. Stets von ganzem Herzen den Menschen zugewandt und mit Leib und Seele Literaturfreund, arbeitete er sich mit den Gästen durch die Welt des Humors. Zum Aufwärmen mit Grundlagen wie “Wat is überhaupt Humor für Sie? Oder nee, besser, ham Sie ainklich Humor?“ wurde von vornherein dem entsprochen, was in der Einladung zu lesen war: Mitmachen ist gefragt! „Oder haben Sie was dabei, was Sie lesen wollen?“ Das Konzept ging von Beginn an auf. Heinz Erhardt, Eugen Roth, Wilhelm Busch, Erich Kästner u.a. waren die Quellen der Verse, Gedichte und kleinen Texte, die von einigen Gästen vorgetragen wurden. In seiner direkten Art erreichte Spiegelberg mit Fragen wie: „Willst du gezz wat dazu sagen?“, dass sich immer wieder ein reger Austausch anschloss.
Von Satire bis Schadenfreude
Ein Streifzug durch die verschiedenen Arten von Humor führte von Satire, Comedy, Glosse bis zum unterschiedlichen Humor von Frauen und Männern. Ebenso kam die Frage auf: „Ab wann haben Kinder eigentlich Humor?“ Verbunden damit war schnell der Gedanke, ob Humor genetisch bedingt oder eine Sache der Erziehung sei. Jede Meinung, jeder Kommentar, jede erlebte Geschichte hatte den passenden Platz. Ein Teilnehmer sprach nachdenklich den Humor als Widerstandsform in Zeiten des Nationalsozialismus an und lenkte damit den Blick kurzzeitig auf die ernsthafte Seite von Humor. Die Frage danach, wann der Humor aufhört, brachte eine weitere Komponente ins Gespräch: die Schadenfreude. Insgesamt wurde deutlich, wie schmal oft der Grat ist, auf dem Humor sich bewegt. Zwischen Amusement und Geschmacklosigkeit liegt meist nur ein Wort oder eine hochgezogene Augenbraue. Aber: Das Publikum war sich in punkto Besserwisserei schnell einig: „Humor mit Zeigefinger, neee, den brauchen wir nicht!“
Kumpel Anton und der regionale Humor
„Humor und Religion“, Spiegelberg sprach noch ein weiteres Thema an, „Humor – oder besser: Lachen im Christentum, Lachen im Judentum, Lachen im Islam, Lachen im Buddhismus – ach neeee, die lachen nicht, die lächeln!“ Er lenkte den Blick auf den regionalen Humor. „Sind hier alles Landsleute? Oder auch Zugereiste?“, wollte er wissen, und befand zu den Unterschieden: alles eine Frage der Perspektive. Man gewöhne sich daran. Das bestätigte sofort eine echte Zugereiste – aus dem Münsterland vor 48 Jahren. Als sie damals nach Gelsenkirchen gekommen ist, hat sie gestaunt: „Wo bin ich da bloß hingeraten? Ich verstand nichts!“ Jetzt vermisse sie die wöchentlichen Geschichten vom Kumpel Anton in der Zeitung, was etliche Besucher bestätigten. Wie und wann geht es weiter? Das Leben und Arbeiten im Ruhrgebiet produziert weit über Kumpel Anton hinaus mit erlebten und erfundenen Geschichten reichlich nachwachsenden Rohstoff für Literaten.
Das nächste Lesecafé am selben Ort, am 26. März 2015, von 15 bis 17.15 Uhr, widmet Ullrich Spiegelberg daher ganz dem beachtlichen Schaffen der Ruhrgebietsautoren.