GELSENKIRCHEN – In jedem evangelischen Gottesdienst am Heiligen Abend wird sie in voller Länge vorgelesen: die Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas Kapitel 2, die Verse 1 bis 20. Oft wird die Lesung von Musik unterbrochen, weil die Geschichte ganz schön viel Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Wie lang ist sie eigentlich? Kollege Computer gibt da schnell Auskunft: Die Luther-Übersetzung umfasst 382 Wörter oder 1.791 Buchstaben. In normaler Schriftgröße passt sie so gerade auf ein normales Blatt Schreibpapier.
Kerstin van Bernum bringt mit diesem umfangreichen Text ein wahres Kunst-Stück fertig. Sie schreibt die ganze Weihnachtsgeschichte auf eine Christbaumkugel. Man muss es gesehen haben, um es zu glauben – deshalb die vielen Fotos auf dieser Seite.
‚Fröhliche Weihnachten’ war zu langweilig
Wie macht sie das bloß? Ist die Schrift wirklich noch lesbar? Oder sind die Kugeln vielleicht besonders dick? Nein, die Kugeln haben eine ganz normale Größe, ca. acht Zentimeter im Durchmesser. Ja, die Schrift ist gut lesbar. Und eigentlich sieht es überraschend einfach aus, wenn die 35-Jährige sich ans Werk macht. Sie braucht keine komplizierte Apparatur, sondern nur eine handelsübliche Glaskugel und einen feinen Lackstift. Oben am Befestigungsring fängt sie an mit „Es begab sich aber zu der Zeit...“. Wenn sie unten angekommen ist, bei „wie denn zu ihnen gesagt war“, dann malt sie auf den ‚Südpol’ noch einen kleinen Weihnachtsstern. Ihre ruhigen Hände und ihre klare Schrift sind ihr ganz selbstverständlich. „Ich würde es ja gerne auch im Zug auf dem Weg nach Essen zur Arbeit machen“, meint sie, „aber ich hab’s ausprobiert, der ruckelt einfach zu sehr.“
So ist und bleibt ihre Werkstatt das heimische Wohnzimmer in Gelsenkirchen-Bismarck. „Ich unterhalte mich dabei mit meinem Mann oder ich ‚höre’ Fernsehen.“ Nachlesen muss sie den Text schon lange nicht mehr und für eine Kugel braucht sie inzwischen nur noch rund 45 Minuten. Angefangen hat das alles, als sie nach einem originellen Weihnachtsgeschenk für Familie und Freunde suchte. „Da habe ich auf dem Weihnachtsmarkt Kugeln mit allen möglichen Aufschriften gesehen und kam erst einmal auf die Idee, so etwas selbst zu machen. Aber ‚Fröhliche Weihnachten’ war mir zu langweilig. Also dachte ich, versuch’s doch mal mit der Geschichte, die Weihnachten erst zu Weihnachten macht.“ Schon der erste Versuch gelang leidlich. „Nur der letzte Vers passte nicht mehr drauf.“ Das passiert ihr auch heute noch manchmal. „Die Kugeln sind nicht immer genau gleich groß und ich bin ja kein Automat.“ Jede einzelne Kugel ist eben ein Unikat. „Auf einigen habe ich am Ende sogar noch Platz. Dann schreibe ich die Quelle ‚Lukas 2,1-20’ dazu.
Auch in einem japanischen Weihnachtsbaum
Gemeinsam mit ihrem Ehemann Rüdiger ist Kerstin van Bernum aktives Mitglied der Apostel-Kirchengemeinde Gelsenkirchen. Dort stellte man 2008 fest, dass der Turm der Bismarcker Christuskirche dringend saniert werden musste. Das kostete viel Geld – mehr, als die Gemeinde zur Verfügung hatte. Deshalb suchte der Förderverein der Christuskirche nach Benefiz-Aktionen. Sein Vorsitzender Pfarrer Dieter Eilert war hingerissen von dem Angebot, das Kerstin van Bernum ihm machte. Und so begann eine Erfolgsgeschichte – für den inzwischen wieder standfesten Kirchturm ebenso wie für die Christbaumkugeln aus van Bernums ruhigen Händen. Für 13 Euro werden sie verkauft, Nach Anzug der Unkosten bleiben pro Exemplar 9 Euro für den Förderverein. Die Gelder werden immer wieder dringend gebraucht für kleinere oder größere Maßnahmen, um die 1901 eingeweihte Kirche zu erhalten.
Gemeindemitglieder können die originellen Christbaumkugeln bei Gemeindefesten und Adventsbasaren kaufen. Zusätzlich nimmt van Bernum Bestellungen entgegen. „Gerade die ‚Wiederholungstäter’, die jedes Jahr einige Kugeln kaufen, haben ganz konkrete Wünsche“, berichtet Rüdiger van Bernum, der seine Frau in der Logistik unterstützt. „Sie wählen die Farbe der Kugel aus, ob sie matt oder glänzend sein soll und bestimmen die Schriftfarbe.“ Manche verschenken sie an weit entfernte Verwandte und Freunde. „Japan, Israel und die USA wurden uns schon genannt.“ Zu Weihnachten 2012 hatte der Chor der Partnergemeinde in Bad Bentheim die Kugeln als Weihnachtsgabe für alle Sängerinnen und Sänger geordert.
Am beliebtesten ist eine ganz klassische Farbzusammenstellung. „Am Verkaufsstand greifen die meisten nach weihnachtsroten Kugeln mit goldener Schrift“, so Kerstin van Bernum. „Gerade hier in Gelsenkirchen ist natürlich auch die Weiße mit blauer Schrift als „Schalke-Kugel“ begehrt.“
Der erschwingliche Preis ist gewollt
Wie viele Kugeln sie schon gestaltet hat, das weiß die Künstlerin gar nicht so genau. „Zwischen 150 und 200 pro Saison werden es ein“, schätzt sie. Sie weiß natürlich, dass der Preis von 13 Euro sehr niedrig ist. „In einem Kunstgewerbeladen könnte man dafür leicht 30 Euro verlangen. Doch das haben wir im Förderverein ganz bewusst so entschieden. Wir wollten, dass jeder und jede sich so eine Kugel leisten kann.“
Aus dem Gedächtnis schreibt Kerstin van Bernum den klassischen Text aus der Lutherbibel. Eine Sonderanfertigung hat sie aber auch schon gemacht, als die Gemeinde die kreiskirchliche Gender-Referentin Pfarrerin Antje Röckemann beschenken wollte. Dafür sollte es dann die Weihnachtsgeschichte nach der „Bibel in gerechter Sprache“ sein. Auch das hat auf Anhieb geklappt. „Aber da musste ich mich sehr konzentrieren und immer wieder in die Vorlage schauen, um nicht aus Versehen den gewohnten Text weiter zu schreiben.“
Bestellungen nimmt van Bernum das ganze Jahr über an. „Ich kann aber jetzt nicht mehr versprechen, dass ich bis Weihnachten noch alle Wünsche erfüllen kann.“ Ihr Kunsthandwerk ist reines Hobby, dem sie nur abends oder am Wochenende nachgehen kann.
Kontakt: ge-kg-apostel@ekvw.de oder 0209 - 95 68 05 66 (mo-fr 10-12 Uhr).