Ein lebendiger Ort der Hoffnung

Es summt, wächst und gedeiht auf dem evangelischen Friedhof Wattenscheid – Westenfeld

Auch Baumbestattung ist auf dem weitläufigen Gelände des Friedhofs Wattenscheid – Westenfeld möglich. Auf den Stelen werden die Namen der dort Bestatteten festgehalten. Foto: Cornelia Fischer

Mit seinen vielfältigen, sozialen, kulturellen und ökologischen Aspekten ist der ev. Friedhof Wattenscheid ein lebendiger Ort der Hoffnung. Foto: Frauke Haardt-Radzik

Ein Friedhof ist ein Ort der Trauer und des Gedenkens an die Toten. Stimmt. Doch er kann noch viel mehr sein. Das zeigt ein Gang über den evangelischen Friedhof Wattenscheid-Westenfeld. Gleich zu Beginn des Rundgangs fallen zwei Bienenstöcke auf. Von hier aus starten die fleißigen Bewohner ihren Flug über die weitläufige Anlage, Stichwort Friedpark, und sammeln reichlich Pollen bei den bienenfreundlichen Blumen, die überall auf dem Friedhof gesät oder gepflanzt wurden.

Bienenstöcke und insektenfreundliche Beete

Holger Sense, seit 2017 Friedhofsleiter, freut sich, dass daraus dann auch Honig produziert wird. Doch die Bienenstöcke sind nur eine der vielen Besonderheiten dieses Friedhofs. Er war mit einer der ersten in der Region, der sich als immaterielles Unesco – Kulturerbe registrieren ließ. Damit wird auf die besondere Bedeutung der Friedhofskultur hingewiesen, nicht nur für trauernde Angehörige, sondern für alle Menschen, die sich am Grün, an den bienen – und insektenfreundlichen Beeten und vielen weiteren Besonderheiten erfreuen können.

Solch ein Friedhof hat auch eine besondere Naturschutzfunktion. Hier fallen besonders die vielen mächtigen Bäume auf – und überall ist Vogelgezwitscher zu vernehmen, dort huscht gerade ein Kleiber an einem Baum hoch, ein paar Schritte weiter brütete hoch oben im Baum im vergangenen Jahr ein Grünspechtpärchen, bestimmt kommt es in diesem Jahr wieder.

Biologische Vielfalt statt Einheitsbepflanzung

Wir biegen beim heutigen Rundgang um die nächste Ecke und stehen vor, man ist gewillt zu sagen, einem verwilderten Unkrautbeet.  „Wir haben eine Interessenbekundung für das Bundesamt für Naturschutz-Projekt Biodiversitäts-Check in Kirchengemeinden abgegeben“, stellt Friedhofsleiter Sense klar. Eine etwas sperrige Umschreibung für zum Beispiel die besonders große Pflanzen- und Tiervielfalt auf dem Wattenscheider Friedhof. „Der sehr selten gewordene Trauerrosenkäfer, der auf der Roten Liste der bedrohten Tiere verzeichnet ist, wurde hier schon gesichtet“, erklärt er mit Stolz in der Stimme. Mit Unterstützung des BUND wurde aus einer ehemaligen Reihengrabanlage eine Blumenwiese. Jetzt gedeihen hier ein Urwaldmammutbaum, eine Trauerweide, eine Silberweide mit insektenfreundlichen Blumen und Pflanzen.

Neue Bestattungsformen gehen auf vielfältige Wünsche ein

Doch Friedhöfe bleiben natürlich vor allem die Orte, an denen Menschen bestattet werden. Und auch da gibt es Neuerungen, die zum Beispiel besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legen. Das Projekt „Wattenscheider Grab“ ist so eines. Hier werden ab vier Grabstätten gemeinsam mit einer durchgehenden dauerhaften Bepflanzung angelegt. Ökologisch sinnvoll soll sie sein. Der ungewöhnliche Duft von Thymian etwa zieht sofort in die Nase, wenn man vor dieser neuartigen Anlage steht und lockt mit Sicherheit auch die Friedhofsbienen an. „Das Wattenscheider Grab wird von Friedhofsgärtnern gepflegt. Die Nutzungsdauer beträgt 25 Jahre und es sind mehrere Einzelgräber nebeneinander hier verbunden. Die Lage und Größe ist vorgegeben, es kann eine Grabsteinstele mit Ornament aus vorgegebenen Mustern ausgewählt werden“, erläutert Friedhofskirchmeister Martin Neuhoff und fügt hinzu: „Das Presbyterium hat beschlossen, dass die dafür ausgewählten Grabsteine aus Deutschland kommen sollen. Damit soll sichergestellt werden, dass keinerlei Kinderarbeit daran beteiligt ist.“

Einen Schritt in eine andere Richtung ermöglicht seit kurzem hier die Baumbestattung: Ein Stück Wiese, die ersten Frühlingsblüher lassen sich blicken. Einige schöne alte Bäume stehen in weitem Kreis, dazwischen Bänke zum Ausruhen und Gedenken. An mehreren Stelen sind Namensschilder der dort schon Bestatteten angebracht. Ort der Hoffnung, der sozialen und kulturellen Begegnung, inmitten einer grünen Oase für Mensch, Tier und Pflanzen, das ist der Wattenscheider Friedhof.