Der Evangelische Kindergarten „Sterntaler“ muss wandern

Eine Prüfung auf Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg ergab Blindgänger-Verdachtspunkte unter dem Gebäude und im Außengelände

Verdachtspunkt 1: Im Raum der Bärengruppe.

Verdachtspunkt 1: Im Raum der Bärengruppe.

Verdachtspunkt 2: Vor dem Spielhaus im Außengelände. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

Verdachtspunkt 2: Vor dem Spielhaus im Außengelände. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Zwei „Blindgängerverdachtspunkte“ sind der Grund dafür, dass der Evangelische Kindergarten „Sterntaler“ am Grieseplatz 6 in Gelsenkirchen-Bismarck (Siedlung Haverkamp) so schnell wie möglich in eine Notunterkunft umziehen wird.

„Das ist jetzt richtig bitter für uns“, sagte Superintendent Rüdiger Höcker. „Doch in erster Linie sind natürlich die Kinder, ihre Eltern und die Mitarbeiterinnen betroffen. Ihnen gilt unsere Sorge.“

Für eine bauliche Veränderung hatte der Kirchenkreis einen Antrag beim Referat Recht und Ordnung der Stadt Gelsenkirchen gestellt. Das Referat prüfte in diesem Zusammenhang auch die etwaige Kampfmittelbelastung der Fläche. Dabei stellte sich heraus, dass auf dem Gelände und unter dem Kindergartengebäude selbst die „Blindgängerverdachtspunkte“ mit den Nummern 2286 und 2287 liegen. Mit anderen Worten: Es könnte vielleicht sein, dass an diesen Stellen Bomben aus Luftangriffen während des zweiten Weltkriegs eingeschlagen und nicht explodiert sind. Es kann aber auch sein, dass sie schon lange vor Beginn des Kindergartenbaus weggeräumt worden sind. Darüber gibt es keine Unterlagen.


Jedes Risiko ausschließen

Der Evangelische Kindergarten Sterntaler wurde 1978 gebaut. Damals gab es noch keinen Zugang zu den Luftaufnahmen der Alliierten von den Bombenabwurfgebieten. Die ersten Bilder, die bis Juni 1945 entstanden, wurden den deutschen Behörden 1979 zur Verfügung gestellt. 1999 kamen weitere, sehr viel bessere Bilder (naturgemäß immer noch mit der Fototechnik von 1945). Nach deren Auswertung empfiehlt die Bezirksregierung Arnsberg in einem Schreiben an die Stadt Gelsenkirchen für das Gebäude und Gelände am Grieseplatz 6 Maßnahmen zur Kampfmittelbeseitigung. Sie geht davon aus, dass es sich hier um „Flächen mit Kampfmittelverdacht ohne konkrete Gefahr“ handelt.

Was nun? Sollten tatsächlich zwei Bomben unter dem Kinder-Garten beim Spielhaus und unter dem Raum der Bären-Gruppe liegen, dann tun sie das seit gut 68 Jahren. Hätte der Kirchenkreis keinen Bauantrag gestellt, wüsste auch heute niemand davon. „Aber nun wissen wir es eben, auch wenn es nicht mehr als Verdachtsmomente gibt“, sagte Christiane Wegers, Geschäftsführerin der Kindergartengemeinschaft. „Die Entscheidung, alles beim Alten zu lassen, würde ebenso Fürsprecher finden wie die Entscheidung, jedes Risiko, auch wenn es nur vermutet wird, auszuschließen.“ Gemeinsam mit dem Sterntaler-Team haben Superintendent Höcker und Wegers sich letzte Woche dafür entschieden, das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen.

„Es gibt keine Präzedenzfälle dafür“, berichtete Superintendent Rüdiger Höcker aus dem Entscheidungsprozess. „Weder die Stadt Gelsenkirchen noch das Landesjugendamt Westfalen-Lippe hat Kenntnis von einer solchen Problemstellung im Blick auf einen Kindergarten.“


Das Team bleibt bis zum Umzug in die Notunterkunft

Wie es nun weiter geht mit dem Sterntaler, ist derzeit noch offen. Am Grieseplatz 6 müssen rund um die beiden Blindgängerverdachtspunkte je 37 Bohrungen gemacht werden. Anschließend müssen alle Löcher wieder fachmännisch verschlossen und verdichtet werden, damit die Statik des Gebäudes nicht gefährdet ist. „Soweit wir wissen, übernimmt das Land NRW nur die Kosten für die Sondierungsbohrungen“, sagte Klaus-Dieter Salinga, der Finanzchef des Evangelischen Kirchenkreises. „Alle Kosten für die Instandsetzung müssen wir selbst tragen. Das sind nach ersten Schätzungen des Architekten rund 50.000 Euro, wenn sich keine Bombe findet. Sollte tatsächlich eine unter dem Gebäude liegen, wird es noch teurer.“

Heute früh haben Superintendent Höcker und Christiane Wegers die Eltern der Sterntaler-Kinder schriftlich über die Sachlage informiert. Für den Umzug in andere Räume würden derzeit mehrere Optionen geprüft. Sobald klar sei, was in Frage komme, würden den Eltern die Möglichkeiten vorgestellt.

„Bis dahin ist es Ihrer Entscheidung überlassen, ob Sie Ihre Kinder weiterhin in den Kindergarten am Grieseplatz schicken wollen oder nicht“, heißt es in dem Elternbrief weiter. „Alle Mitarbeiterinnen haben sich bereit erklärt, unsere Einrichtung am Grieseplatz offen zu halten, bis wir Ersatz gefunden haben.“

Der Evangelische Kindergarten Sterntaler hat zwei Gruppen, also 40 Kinder, und arbeitet als integrative Einrichtung mit insgesamt sieben pädagogischen Teil- und Vollzeitkräften. Das Gebäude am Grieseplatz hat 405 Quadratmeter, das Gelände insgesamt rund 2.500 Quadratmeter.