GELSENKIRCHEN – Nach der Predigt gab es Beifall – ein in evangelischen Kirchen nahezu ‚unerhörtes‘ Ereignis. Zugetragen hat es sich im Gottesdienst, der am Freitag, 5. Juli um 18 Uhr in der Pauluskirche Bulmke begann. Anlass war die Verabschiedung von Pfarrer Ulrich Brockhoff-Ferda (66) in den Ruhestand.
Brockhoff-Ferda predigte über die Gemeinschaft der Heiligen und gab sehr persönlich darüber Auskunft, was die Heiligen der letzten Kalendertage (24. Juni: Johannes der Täufer, 29. Juni: Die Apostel Paulus und Petrus, 2. Juli: Maria und Elisabeth, 3. Juli: Der Apostel Thomas) ihm bedeuten. Über Johannes den Täufer sagte er: „Achtet auf seine Worte: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat. Was für eine wichtige Person in der Gemeinschaft der Heiligen. Was für eine wichtige Person für mich!
Ich möchte, dass Gerechtigkeit wächst. Ich möchte, dass die Kirche zur Gerechtigkeit beiträgt. Ich möchte, dass armen Menschen Perspektiven eröffnet und Teilhabe ermöglicht wird. Ich möchte, dass Deutschland und die EU solidarische gesellschaftliche Konzepte stärken. Ich möchte, dass Reiche reichlich Steuern zahlen. Denn dass ihr Überfluss sich auf wunderbare Weise als Segen auch für die Armen erweisen wird, halte ich für eine Schutzbehauptung.“
Gegen den Strich gebürstet
Ulrich Brockhoff-Ferda kam 1981 als „Pastor im Hilfsdienst“ in die Gelsenkirchener Altstadt und übernahm 1986 eine Pfarrstelle in der Kirchengemeinde Bulmke. Hier wirkte er 21 Jahre und wechselte 2007 in den Dienst des Kirchenkreises, zunächst mit einer halben Stelle am Gauß-Gymnasium und mit der anderen Hälfte in der Gemeindeberatung. Ab 2011 war er ganz in der Gemeindeberatung tätig. Seit 2013 war er für die Begleitung von Projekten im Gestaltungsraum zuständig und damit auch in den Nachbarkirchenkreisen Herne und Bochum unterwegs. Der 30. Juni 2019 war sein letzter Arbeitstag.
Vor der liturgischen Entpflichtung blickte Superintendent Heiner Montanus auf die beruflichen Stationen von Ulrich Brockhoff-Ferda zurück. Über seine Hausandachten im Kreiskirchenamt sagte er: „Du kannst so wunderbar von biblischen Gestalten erzählen. Du hast sie oft ‚gegen den Strich‘ gebürstet, so dass sie in einem ganz anderen Licht erschienen und neue Erkenntnisse aufblitzen ließen.“
Christenmenschen können unglücklich sein
Pfarrer i.R. Ulrich Brockhoff-Ferda über den heiligen Thomas, den Jünger, der zweifelt: „Ich zweifele an anderer Stelle. Ich bezweifele, dass der christliche Glaube notwendig ist für ein glückliches Leben. (...) Tatsächlich möchte ich auf keinen Fall sagen: Wenn du an Jesus Christus glaubst, wirst du glücklich. Ich finde, dass macht nur Sinn als persönliches Zeugnis: Ich bin in den Bann der christlichen Gottesbeziehung geraten, nenne mich manchmal sogar einen glücklichen Menschen und spüre Lust und Kraft zu guten Werken – aber man sollte sich doch hüten, daraus Rezepte für andere oder Urteile über andere abzuleiten.
Was ich sehe, ist dies: Christenmenschen können unglücklich oder richtig böse sein und Atheisten glücklich bzw. vorbildlich gut. Mit dem Menschen hat Gott sich ein schwer zu bändigendes Gegenüber geschaffen – und ob und auf welche Weise der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, uns und andere Frieden finden lässt, muss wohl bis ans Ende der Zeiten offen bleiben.“
Gemeindeglieder aus Bulmke, Amtsgeschwister aus dem ganzen Kirchenkreis, Freunde und Freundinnen und die ganze Familie feierten im Anschluss an den Gottesdienst im Seitenschiff der Pauluskirche weiter und überbrachten dem entpflichteten Pfarrer ihre Glück- und Segenswünsche.