Berauschendes Chorkonzert: Bachs Johannes - Passion in großer Besetzung

Gelsenkirchen – Operngleich angelegt, erzählerisch, voller Dramatik: Drei Chöre, fünf Solisten und ein Kammerorchester unter der Gesamtleitung von Kreiskantor Andreas Fröhling führten das Mammutwerk von Johann Sebastian Bach in der mit gut 500 Besucher: innen vollbesetzten Altstadtkirche auf.

Kreiskantor Andreas Fröhling (r.) und Kirchenmusiker Ingmar Stiller (l.)

Großes Publikum: Gut 500 Besucher*innen kamen in die Altstadtkirche.

Die Gelsenkirchener Kantorei, der Konzertchor des Städtischen Musikvereins Gelsenkirchen und der Madrigalchor Buer brillierten als harmonischer Gesamtchor auf hohem Niveau.

Die Gelsenkirchener Kantorei, der Konzertchor des Städtischen Musikvereins Gelsenkirchen und der Madrigalchor Buer brillierten als harmonischer Gesamtchor auf hohem Niveau. Einstudiert und seit Monaten konzentriert geprobt, führten die drei Chorleiter, Andreas Fröhling, Juliano Suzuki und Ingmar Stiller die einzelnen Chöre zum 90 – köpfigen ProjektOratorienChor Gelsenkirchen zusammen.

Einen kleinen Schreckmoment gabs bei der Besetzung der Solisten: Für den Bassisten Konstantin Paganetti sprang Clemens Joswig kurzfristig ein und beeindruckte in der Rolle des Jesus mit seinem kraftvollen Bass. Tenor Aljoscha Lennert brillierte als Evangelist mit großem Einsatz. Auch die beiden Frauenstimmen, Elisa Rabanus, Sopran, und Laura Kriese, Alt, sowie Bariton Björn Köller gestalteten mit ihren einfühlsamen Stimmen dieses Konzert zu einem großen, berührenden Ganzen.

„Die Kraft, die in dieser Musik steckt, ist unglaublich beeindruckend“, formulierte Andreas Fröhling, Kreiskantor des Kirchenkreises, über dieses große Werk der Musikgeschichte. „Toll, dass ich das in dieser Besetzung aufführen konnte! Dabei sollte uns hinsichtlich des biblischen Textes, welcher der Johannes - Passion zugrunde liegt, der historische Kontext bewusst sein, nämlich, dass dieser Text nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 70 n.Chr. entstanden ist. Das ist wichtig, um heute einem potentiell antijüdischen Missbrauch des großen Bach’schen Werkes entgegenzuwirken. Bach hat denn auch den anklagenden Chorsätzen des Evangeliums, die man schnell als antisemitisch auffassen könnte, betrachtende und kommentierende, in eine ganz andere Richtung weisende Arien und Choräle gegenübergestellt.“

An den Anfang des Konzerts setzte Fröhling das dreiminütige Orgelwerk „Die Geißelung“ von Theo Brandmüller. Damit wies er auf das Thema des folgenden Oratoriums hin, ein wogendes Klang- und Klagemeer, voller Dissonanzen, die Leidensgeschichte Jesu. Zum Schluss dann der Choral, voller Hoffnung, inbrünstig aus vollen Kehlen des Chores gesungen: „Ach Herr, lass dein lieb Engelein am letzten Ende die Seele mein in Abrahams Schoß tragen.“

Ein großer Konzertnachmittag endete nach knapp zwei Stunden ohne Pause, das verlangte dem Publikum einiges an Konzentration ab. Viele Besucher: innen wichen wegen Überfüllung auf Sitzplätze auf der Empore aus. Doch alle lauschten gebannt, einige sangen sogar bei der Chormusik ganz leise mit. Nachdem der letzte Ton verklungen war, verharrten zunächst alle in kurzer Stille. Doch dann gab es frenetischen Beifall für ein wirklich großartiges Konzert in der vorösterlichen Zeit. „Ergreifend, mehr kann ich gar nicht sagen“, so eine Besucherin begeistert. 

 

Text: Frauke Haardt-Radzik
Fotos: Cornelia Fischer