Begabungen jenseits von Schulnoten entdecken

Nach 32 Jahren in der Jugendberufshilfe beginnt für Sinie Hammink der Ruhestand

Sinie Hammink hat die Industrie- und Sozialarbeit im Kirchenkreis mitgeprägt. FOTO: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – „Manchmal gelingt es, die besonderen Fähigkeiten eines Förderschülers zu entdecken und ihn in eine Ausbildung zu vermitteln. Das ist jede Mühe wert.“ Wenn Sinie Hammink von ihrem Beruf erzählt, dann ist ihr auch nach fast 32 Jahren und ganz kurz vor dem Ruhestand uneingeschränktes Engagement abzuspüren. Ihr Einsatz galt den Jugendlichen in Gelsenkirchen, genauer gesagt: den Jugendlichen auf der Schwelle in das Arbeitsleben. Dass möglichst viele von ihnen diese Schwelle überschreiten, ist das Anliegen der „Beratungsstelle für arbeitslose Jugendliche und BerufsanfängerInnen“. Seit 1976 ist diese Arbeit beim ISPA, dem Industrie- und Sozialpfarramt, angesiedelt – und Hammink ist dort die Frau der ersten Stunde.

Zwischen Projekten zur Berufsfindung und Einzelberatungen spielte sich ihr Arbeitsalltag ab. „Ab der 8. Klasse gehen wir in die Schulen“, erzählt die 59-Jährige. „Wir helfen den Schülerinnen und Schülern dabei, herauszubekommen, wo ihre Stärken liegen, was ihnen Spaß macht und was sie im Leben nach der Schule erreichen wollen.“ In der 8. Klasse geht es um die Lebensplanung, in der 9. Klasse um Praktika und Bewerbungen, in der 10. Klasse um Vorstellungsgespräche, den Besuch von Förderlehrgängen oder individuelle Beratung. „Oft trauen sich die Jugendlichen, gerade in den Hauptschulen, gar nichts zu“, hat Hammink erfahren. „Da ist es wichtig, auch ihre Begabungen jenseits von Schulnoten herauszufiltern.“

Das Selbstwertgefühl der Jugendlichen zu stärken, sei oft der erste Schritt auf dem Weg in das Berufsleben. „Wenn früher die Jungen Kfz-Mechaniker werden wollten, sagen sie heute: ‚Ach, vielleicht kriege ich eine Arbeit an der Tankstelle’“, beschreibt Hammink die Auswirkungen der Arbeitsmarktentwicklung auf ihre Klientel. „Das ist so eine Art Selbstschutz, um nicht noch mehr enttäuscht zu werden.“ Ganz schlimm findet sie es, wenn gute Schüler eine solide Ausbildung machen könnten – es aber nicht dürfen, weil sie in Deutschland nur geduldet sind und keine Aufenthaltsgenehmigung haben. „Mit dem Ende des Berufskollegs ist für sie Schluss.“

Neben der Arbeit in der „Jugendberufshilfe“, wie sie heute etwas kürzer und griffiger genannt wird, hat Hammink sich seit 1988 in der Mitarbeitendenvertretung (MAV) der Evangelischen Kirche engagiert. Von 1994 bis 2006 war sie als MAV-Vorsitzende des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid. Gerade in dieser Zeit wurden auch bei der Kirche die Arbeitsplätze knapp. Mit der Schließung von Haus Windrath im Jahr 2000 gab es die ersten betriebsbedingten Kündigungen. „Da war viel Aufklärungsarbeit zu tun. Keiner wusste richtig Bescheid über die Arbeitnehmerrechte.“ Trotz der manchmal schwierigen Bedingungen hat Hammink überwiegend gute Erfahrungen gemacht. „Unser Kirchenkreis ist ausgesprochen aufgeschlossen für die Mitarbeitendenvertretung. Wir konnten uns heftig streiten und auseinandersetzen, aber uns auch immer wieder zusammensetzen und gemeinsame Lösungen finden.“

Sinie Hammink stammt aus Almelo in den Niederlanden und kam 1970 „der Liebe wegen“ nach Bochum. Sie ist bis heute Niederländerin geblieben. Zum 1. Februar, an ihrem 60. Geburtstag, hat der passive Teil ihrer Altersteilzeit begonnen. Im Ruhestand wird sie weiterhin im Ruhrgebiet leben. Jetzt freut sie sich auf ausgedehnte Reisen zu Freunden in aller Welt. „Doch mein politisches Engagement, das ich im ISPA entwickelt habe, werde ich auf jeden Fall beibehalten.“ KB