Aus Kneipenliedern wurden Kirchenlieder

Fünfteilige Veranstaltungsreihe über Luthers Lieder in der Friedenskirche eröffnet

Pfarrer Frank Dressler (rechts) und Kantor Detlev Bahr präsentierten Lieder rund um den Glauben vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. FOTO: MAXIMILIAN WIESCHER

WATTENSCHEID – „Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Marktplatz im Jahr 1524. Es duftet nach Broten, Obst, Gemüse und Bier. Wagen drängen sich durch die engen Gassen, Marktschreier preisen ihre Waren an. Auf einmal hören Sie, wie ein Bänkelsänger seine Laute stimmt und anfängt, ein Luther-Lied nach dem anderen zu singen. So kam die Reformation unter die Leute, denn lesen konnte kaum jemand. Man hörte auf den Märkten und Straßen seine Musik.“ Mit dieser Geschichte begann Pfarrer Frank Dressler am 18. März den Auftakt der Veranstaltungsreihe „Davon ich singen und sagen will“. Diese zeigt in fünf musikalisch-theologischen Abenden, wie Martin Luther das Lied als Mittel zur Verkündigung nutzte.

Was für einen Erfolg er damit hatte, umschrieb Dressler mit einer weiteren Erzählung: „Sechs Jahre später im Fürstenhaus von Lippe. Seit längerem beobachtet Fürst Simon V., ein gläubiger Katholik, mit Schrecken die Ausbreitung der Reformation. Ein Bote aus dem benachbarten Lemgo berichtet, dass die Protestanten da sind. Simon fragt, ob sie schon singen. Der Bote antwortet: Ja, sie singen lautstark Luther-Lieder und haben sogar die Messe gestört. Simon ist entsetzt: Sie singen schon? Dann sind wir verloren.“

Luther hatte sich für seine Lieder auch der altkirchlichen Hymnen bedient, die damals gängig waren, heute aber ungewohnt und sperrig sind. Ein gutes Beispiel ist das Bekenntnis-Lied „Wir glauben all an einen Gott“, das das etwa 25-köpfige Publikum mit Unterstützung von Kantor Detlev Bahr ohne weiteres mitsingen konnte. Luther holte auch die Lieder aus den Kneipen und Straßen und gab ihnen neue Inhalte – aus „Nun freu dich, liebes Gretlein mein“ wurde zum Beispiel „Nun freut euch, liebe Christen g’mein“. 2014 fand Luthers „Wir glauben all an einen Gott“ Verwendung in einem Musical zum 400. Jubiläum der Gemeinde Wattenscheid.

Das danach gesungene Lied „Herr, dein Name sei erhöht (Lord, I lift your name on high)“ ist ein modernes Glaubensbekenntnis. Es entstand vor ungefähr 30 Jahren und zählt heute zu den zehn am meisten gesungenen modernen christlichen Liedern weltweit. Nun bedeutet „Glaube“ nicht nur, von der Existenz Gottes auszugehen, wie Frank Dressler erklärte: „Im Hebräischen bedeutet ‚glauben‘ auch ‚festmachen‘. Man soll an Gott festhalten wie Kinder an ihren Eltern oder Kletterer an ihren Karabinerhaken.“ Die Suche nach Halt und Orientierung ist geblieben: „Früher fragte man sich: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Heute fragt man sich: Wie bekomme ich einen gnädigen Mitmenschen? Einer der schönsten Wünsche, die ich kenne, lautet: Möge dein Leben so schön werden, wie du es auf Facebook darstellst. Die Leitfrage bleibt: Wodurch bin ich wer? Wer sagt mir, was ich wert bin? Gott sagt zu jedem Menschen: Ich liebe dich so wie du bist, aber ich lasse dich nicht so wie du bist. Ich liebe die Welt zu sehr, als dass ich zulassen würde, dass deine Sünden dich bestimmen.“ Mit Luthers Segenslied „Verleih uns Frieden gnädiglich“ endete der musikalisch-theologische Abend.