Am Tisch des Herrn

Kunstprojekt in der Bleckkirche rückt ein kunsthistorisches Kleinod, den Grimberger Altar, in den Mittelpunkt

Der Gelsenkirchener Maler Jo Scholar präsentierte seine Werke zum Grimberger Altar.

Sicht versperrt: Das Altarbild wurde den Ausstellungsbesuchern durch Scholars Kunstwerke vermittelt.

Die Bleckkirche war 90 Tage lang ein "Atelier auf Zeit". FOTOS: CO

GELSENKIRCHEN – Beim Betreten der Bleckkirche war das große Baugerüst rings um den Grimberger Altar nicht zu übersehen. „Am Tisch des Herrn“ stand in großen Lettern auf einem gespannten Banner, das die Sicht auf die in Stuck gearbeitete Abendmalszene versperrte. Dabei handelte es sich nicht etwa um Restaurationsarbeiten, sondern um einen künstlerischen Kniff. „Das haben wir bewusst so gemacht. Wenn Sie sich den Altar anschauen wollen, dann müssen Sie ihn sich vermittelt durch die Betrachtung der Kunstwerke des Gelsenkirchener Malers Jo Scholar ansehen!“, erklärte Pfarrer Thomas Schöps während der Ausstellung am 15. Oktober. Präsentiert wurde das Ergebnis eines ungewöhnlichen Kunstprojekts. Es hatte zum Ziel, zu einem schon oft gesehenem Motiv einen neuen Zugang zu eröffnen. Dafür erklärte Scholar für 90 Tage die Bleckkirche zu seinem Atelier und setzte sich mit dem „Westfälischen Abendmahl“, dem Altarbild, künstlerisch auseinander.

In einer Lesung ging Schauspielerin und Regisseurin Margot Müller auf die historischen Hintergründe ein. Das Mittelalter, in Geschichtsbüchern als „dunkles Zeitalter“ beschrieben, war nicht durchgehend dunkel und von Krisen erschüttert. Es fand seinen Höhepunkt in der Renaissance, als die westliche Welt ein hohes Maß an Wohlstand und Lebensqualität erlebte. Aus dieser Zeit stammt der Grimberger Altar, der als ein kunst- und kulturhistorisches Kleinod der Stadt Gelsenkirchen gilt. Gefertigt wurde er im Jahr 1574 für die Kapelle des Grimberger Schlosses. Einer der ersten lutherischen Adligen der Region, der Ritter Heinrich von Knipping, und seine Frau Isabella von Nesselrode stifteten ihn im Jahre 1738 für die damals neu erbaute Bleckkirche. Das Relief zeigt das letzte Abendmahl Christi mit seiner Jüngerschar. Die Bezeichnung „Westfälisches Abendmahl“ verdankt es der Tatsache, dass es sich dabei um eine für die hiesige Region typische Adelsgesellschaft handelt.

Scholar lenkt in seinen Kunstwerken den Blick auf die vielen Details des Altarbilds. Neben den skizzenhaften Zeichnungen können die Betrachter anhand von Collagen, handbeschrifteten Papierstücken und kulissenhaften Altarmodellen, die an aufgeklappte Pop-up-Bücher erinnern, die Feinheiten des Altars entdecken: Es sind einzelne Figuren, ihre Gesten und Körperteile sowie Gegenstände, die aus dem Kontext herausgegriffen die Dramatik des Abendmahlgeschehens verdeutlichen. „Es war faszinierend, die Figuren aus Stein aus der Dreidimensionalität auf zwei Dimensionen zu Papier zu bringen, damit zu spielen und letztendlich in Dialog mit einem unbekannten Bildhauer zu treten“, kommentierte Scholar den künstlerischen Prozess. Mit dem Zeichenmaterial Rötel griff Scholar bewusst auf eine für die Renaissance typische Methode zurück. Das Mineral mit seiner rotbraune Farbe und ihren Abstufungen verleiht Scholars figürlichen Darstellungen eine geheimnisvolle Tiefe. Der Plan des Projekts ging auf: Wer sich mit den Werken auseinandersetzte, konnte die Distanz des aufgebauten Gerüsts überwinden und dem Altar auf neue Art ganz nahe kommen.