Täglich um 19 Uhr Glockenläuten

Kirchenkreis und Stadtdekanat laden ein

Foto: fritz zühlke / pixelio.de

GELSENKIRCHEN – Jeden Tag um 19 Uhr läuten die Glocken aller evangelischen und katholischen Kirchen der Stadt. Sie laden damit ein zum Gebet. „Manche bitten Gott um Hilfe für sich selbst, für Kranke, für die Helden des Alltags“, so Heiner Montanus, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid. „Oder sie sagen Danke für einen gesunden Tag. Und wer total verzweifelt ist, sagt Gott mal so richtig die Meinung.“ Kirchenkreis und Stadtdekanat rufen alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, beim Glockenläuten eine brennende Kerze ins Fenster zu stellen. Stadtdechant Markus Pottbäcker: „Wir setzen ein sichtbares Zeichen des Miteinanders über alle Grenzen von Religionen und Kulturen hinweg. Wir brauchen einander, gerade jetzt.“

Wem es die Sprache verschlagen hat, findet Gebete auf den Webseiten der evangelischen und katholischen Kirchen oder betet das Vaterunser. Oder es wird gesungen. Die Evangelische Kirche in Deutschland schlägt vor: „Stellen Sie sich um kurz nach 19 Uhr ans Fenster und singen oder spielen Sie ‚Der Mond ist aufgegangen‘“. Das Abendlied von Matthias Claudius ist ein gesungenes Gebet voller Trost, Hoffnung und Zuversicht. Alle sieben Strophen stehen auch im Evangelischen Gesangbuch Nummer 482.

  1. Der Mond ist aufgegangen
    die goldnen Sternlein prangen
    am Himmel hell und klar.
    Der Wald steht schwarz und schweiget,
    und aus den Wiesen steiget
    der weiße Nebel wunderbar.
     
  2. Wie ist die Welt so stille
    und in der Dämmrung Hülle
    so traulich und so hold
    als eine stille Kammer,
    wo ihr des Tages Jammer
    verschlafen und vergessen sollt.
     
  3. Seht ihr den Mond dort stehen?
    Er ist nur halb zu sehen
    und ist doch rund und schön.
    So sind wohl manche Sachen,
    die wir getrost belachen,
    weil unsre Augen sie nicht sehn.
     
  4. Wir stolzen Menschenkinder
    sind eitel arme Sünder
    und wissen gar nicht viel.
    Wir spinnen Luftgespinste
    und suchen viele Künste
    und kommen weiter von dem Ziel.
     
  5. Gott, lass dein Heil uns schauen,
    auf nichts Vergänglichs trauen,
    nicht Eitelkeit uns freun;
    lass uns einfältig werden
    und vor dir hier auf Erden
    wie Kinder fromm und fröhlich sein.
     
  6. Wollst endlich sonder Grämen
    aus dieser Welt uns nehmen
    durch einen sanften Tod;
    und wenn du uns genommen,
    lass uns in’ Himmel kommen,
    du unser Herr und unser Gott.
     
  7. So legt euch denn, ihr Brüder,
    in Gottes Namen nieder;
    kalt ist der Abendhauch.
    Verschon uns, Gott, mit Strafen
    und lass uns ruhig schlafen.
    Und unsern kranken Nachbarn auch!

Text: Matthias Claudius 1779
Melodie: Johann Abraham Peter Schulz 1790