Selbstkritische Töne und furiose Klänge

Der Neujahrsempfang des Kirchenkreises stand unter der Überschrift „Eine saitenhafte Entführung“

Rund 160 Gäste empfing der Kirchenkreis zum Beginn des neuen Kirchenjahres.

Rund 160 Gäste empfing der Kirchenkreis zum Beginn des neuen Kirchenjahres.

In der evangelischen Zeitansage schlug Superintendent Heiner Montanus selbstkritische Töne an.

In der evangelischen Zeitansage schlug Superintendent Heiner Montanus selbstkritische Töne an.

Bernd Steinmann (links) und Stefan Loos gestalteten die „saitenhafte Entführung“ furios. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

Bernd Steinmann (links) und Stefan Loos gestalteten die „saitenhafte Entführung“ furios. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Dass der Evangelische Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid seinen Neujahrsempfang bereits Anfang Dezember feiert, ist gute Tradition. Denn mit dem 1. Advent beginnt das neue Kirchenjahr, die (etwas) andere Zeitrechnung. Nicht gut dagegen sei die Tradition, dass der Empfang meistens am Freitagabend stattfindet. „Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, wäre gerne gekommen“, berichtete Superintendent Heiner Montanus zum Auftakt des diesjährigen Empfangs am 6. Dezember. „Aber am Freitagabend beginnt der Sabbat. Wir können doch nicht Advent feiern und dabei diejenigen ausschließen, zu denen Jesus gehörte.“


An Weihnachten sind wir die Migranten

Die Weihnachtsgeschichte, so Montanus in der Kurzandacht, sei eine Geschichte ohne Leitkultur. Hirten gehörten dazu und weise Männer aus dem Orient. „Wir in Gelsenkirchen und Wattenscheid sind nicht von Anfang an dabei, wir sind Migranten in die Weihnachtsgeschichte hinein.“ Und dennoch, sagte er selbstkritisch, „habe ich oft eine evangelische Leitkultur – und merke es nicht einmal.“ Es sei an der Zeit, in Gemeinden und Kirchenkreis eine Willkommenskultur zu schaffen, damit die Menschen aus dem Iran, Afghanistan oder Syrien tatsächlich ankommen können bei uns. „Iraner, die sich hier haben taufen lassen, könnten die Weihnachtsgeschichte auf Farsi vorlesen – einfach, damit wir mal hören, wie das klingt, wie es sich anfühlt und damit sie mitwirken können, wenn wir Weihnachten feiern.“ Oder ein syrisches Weihnachtslied. Oder, ganz un-weihnachtlich: „Wir stellen einen Afghanen als Auszubildenden im Kreiskirchenamt ein – ohne zu fragen, ob er schon genauso ist wie wir.“

Rund 160 Menschen aus Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in Gelsenkirchen und Wattenscheid hatten Einladung in das Paul-Gerhardt-Zentrum (GE-Horst) angenommen. Grußworte aus den beiden Kommunen kamen von Stadträtin Annette Berg (Bildungsdezernentin GE) und Bezirksbürgermeister Manfred Molszich (WAT).
 

Die Oper ‚Carmen‘ auf 2‘30‘‘ gekürzt

„Eine saitenhafte Entführung“ lautete der Titel des Abends. Bernd Steinmann und Stefan Loos lösten dieses Versprechen gleich in mehrfacher Hinsicht ein. „Weihnachten ist jetzt nicht unbedingt unsere Kernkompetenz“, meinten sie – und widerlegten sich selbst mit ihrer Interpretation von ‚Maria durch ein Dornwald ging‘.  Ihre Version von ‚Morgen kommt der Weihnachtsmann‘ entlockte dem Klassiker ungeahnte Dimensionen. Und ihr ‚Lasst uns froh und munter sein‘ bewirkte genau das.

Virtuose Gitarrenmusik und gewitzte Moderation – mit dieser Mischung begeisterte das „Essener Gitarrenduo“ das Publikum. „Die Oper ‚Carmen‘ von Georges Bizet ist 2 Stunden und 45 Minuten lang. Wir haben sie auf 2 Minuten und 30 Sekunden gekürzt“, kündigte Bernd Steinmann drei eigene Bearbeitungen an, die nach der ‚Aragonaise‘ und der ‚Seguidilla‘ mit der wohl bekanntesten Melodie der Oper, der ‚Habanera‘ ihren Höhepunkt fanden.

Nicht nur die ‚Rumba furioso‘ löste ebensolchen Applaus aus, die Freude an diesem Konzert zeigte sich auch an dem reißenden Absatz der CDs des Duos am Ausgang.

Die CDs von und mit Bernd Steinmann und Stefan Loos, etwa „Summer in Spain“ oder „Weihnachtslieder für zwei Gitarren“ sind auch online erhältlich unter essenergitarrenduo.de