GELSENKIRCHEN – „In letzter Konsequenz fordert der Appell sogar einen Rechtsanspruch auf einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt.“ Das sagte Ernst Udo Metz am 2. März vor der Presse. Frank Baranowski drückte es so aus: Um Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauszuhelfen, „muss der Instrumentenkasten dringend um den sozialen Arbeitsmarkt erweitert werden.“
Pfarrer Metz ist Theologischer Vorstand des Diakoniewerkes und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände in Gelsenkirchen. Baranowski ist Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen. Es ist ein breites Bündnis aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben der Stadt, das sich mit der Neuauflage des Gelsenkirchener Appells nun erneut auf den Weg macht, Arbeitsplätze für diejenigen zu schaffen, die auf dem so genannten „ersten Arbeitsmarkt“ keine Chance mehr haben. Die Ratsfraktionen der SPD, CDU, FDP und Grünen sind ebenso dabei wie der Evangelische Kirchenkreis und der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Katholische Stadtkirche und die Jüdische Gemeinde, die Arbeiterwohlfahrt und der Paritätische*.
Arbeitslosigkeit in der zweiten Generation
Kern der jetzt aktualisierten Fassung des Appells ist die Forderung nach einem Gesetzgebungsverfahren, das es ermöglicht, die Hartz-IV-Leistungen in Lohnleistungen umzuwandeln. Der Appell nennt das den „Passiv-Aktiv-Transfer“ – und genau der ist derzeit gesetzlich nicht möglich. Würde er gelingen, ist Sozialdezernent Luidger Wolterhoff der Überzeugung, dass sich der soziale Arbeitsmarkt kostenneutral umsetzen ließe. Das Jobcenter Gelsenkirchen würde zusätzlich das Wohngeld für Hartz-IV-Bezieher und andere Gelder, die etwa für Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, einbringen. So könnten Löhne entstehen, die mindestens dem gesetzlichen Mindestlohn entsprechen, wie es der aktualisierte Appell vorsieht.
Warum überhaupt ein sozialer Arbeitsmarkt für Gelsenkirchen? Bereits 2012 hatten die Verfasser des Gelsenkirchener Appells erkannt: Es gibt in der Stadt eine hohe Anzahl von Menschen, die mindestens vier Jahre, teilweise bereits sehr viel länger, arbeitslos sind. Ihnen standen nicht etwa freie Arbeitsplätze zur Verfügung. Es gab – und gibt bis heute – einfach nicht genug Plätze auf dem 1. Arbeitsmarkt für sie. Mit den Jahren wird es immer schwieriger, aus eigener Kraft ins Arbeitsleben zurück zu finden. Inzwischen gibt sogar die „ererbte“ Arbeitslosigkeit. Luidger Wolterhoff: „Wie soll ein Kind lernen, morgens früh aufzustehen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen, wenn es in der ganzen Familie kein Vorbild dafür gibt?“
Armut trotz guter Wirtschaftslage
So hatte bereits der Gelsenkirchener Appell 2012 gefordert, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu bezahlen und dafür einen sozialen Arbeitsmarkt zu schaffen. Diese Forderung stellt er nun in der Neuauflage noch eindringlicher und will dafür auch keine zeitliche Begrenzung mehr einräumen, sondern spricht sich für eine „Laufzeit wenn nötig bis zum Eintritt in das Rentenalter“ aus.
Am 7. März wird die Neuauflage des Gelsenkirchener Appells 2018 dem städtischen Ausschuss für Arbeit und Soziales der Stadt Gelsenkirchen zur Beratung und Stellungnahme vorgelegt. „Sein Votum wird der gesellschaftlichen und politischen Diskussion des Appells zusätzlich Nachdruck verleihen“, sagte Pfarrer Metz.
Industrie- und Sozialpfarrer Dieter Heisig vom Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid betonte, wie wichtig der Appell gerade jetzt sei. „Wir hören und lesen überall: Die Wirtschaft brummt, es geht uns gut. Aber unser Problem ist damit eben nicht erledigt. Der Arbeitsmarkt lässt Menschen zurück. Die Diskussion um die Tafeln hat einmal mehr gezeigt: Armut ist ein drängendes Problem. Wir wollen und müssen etwas dagegen tun.“
* Hier geht es zum Download des Gelsenkirchener Appells 2018 mit allen Institutionen, die ihn unterzeichnet haben.