GELSENKIRCHEN – 630 qm, 520 Sitzplätze, doch nur 51 davon durften am ersten „Präsenzgottesdienst“ nach wochenlanger Corona-Pause in der Kirchengemeinde Heßler eingenommen werden.
„Alle im Presbyterium wollten, dass die Kirche wieder geöffnet wird“, stellt Gemeindepfarrer Michael Schönberg erfreut fest. Doch damit das Gotteshaus der kleinen Gelsenkirchener Gemeinde tatsächlich seine wuchtigen Tore wieder für Besucher öffnen konnte, waren umfangreiche Vorbereitungen notwendig.
Abstand halten, Hände desinfizieren, den gesamten Gottesdienst über die Mund-Nase-Maske tragen und getrennte Ein- und Ausgänge, so lauteten auch hier die Bedingungen. Immerhin, eine Voranmeldung war nicht erforderlich, in der kleinen Gemeinde kennt man sich eben.
Himmlische Abstandshalter
Auch Kirchmeister Christian Gerlemann war schon Tage zuvor mit dem Umsetzen der geforderten Sicherheitsmaßnahmen gut beschäftigt. Bewaffnet mit Spraydose und Schablone sprühte er strahlend weiße Engel als Abstandshalter auf den Boden vor dem Aufgang zur Kirche: „Falls doch plötzlich alle auf einmal kommen, ist ein sicheres Betreten mit nötigem Abstand damit wohl gewährleistet.“
Im Kirchenvorraum erinnern Piktogramme daran, dass jeder Besucher ans Händedesinfizieren denken soll. Im Innern dann wird schnell klar, Sitzen darf nur mit großem Abstand zum Nächsten erfolgen: „Immer nur ein Besucher pro Kirchenbank, außer es kommen Paare oder Familien.“ Auch Pfarrer Schönberg ist froh, dass jetzt wieder reale Gottesdienste gefeiert werden können. „Ich habe versucht, telefonisch Kontakt zu halten. In den letzten Wochen gab's die Predigten in schriftlicher Form. Doch die Gemeinde ist auf Gottesdienste ausgerichtet, hat ein klares theologisches Profil.“ Etwas skeptisch betrachtet er die neuen Bedingungen allerdings schon: „Der gemeindliche Gottesdienst setzt Nähe voraus. Mit Maske, ohne Gesang, ohne Abendmahl, ist es nicht der Gottesdienst, wie ich ihn mir vorstelle.“
Frühjahrsputz für die Orgel
Ohne Gemeindegesang, aber immerhin mit Orgel und einer Gesangssolistin, die von der Orgelempore singen wird, geht es nach zehn Wochen Corona-Pause in Heßler nun wieder los. Ach ja, die Orgel! Die erhielt in der Ruhepause einen umfangreichen Frühjahrsputz, Orgelfachleute sind noch bis kurz vor Gottesdienstbeginn mit dem Reinigen und Stimmen der Pfeifen beschäftigt.
Dann endlich läuten am sonnigen Sonntag Rogate die Kirchenglocken. Nach und nach betreten die Gläubigen die Kirche. Zuerst geht an den Tisch im Eingang. Hier stehen Christian Gerlemann und weitere PresbyterInnen und haken die Anwesenheitsliste ab oder notieren die Daten von neuen Besuchern. Ein fragender Blick in die Runde, aha, wo ein Ablaufzettel in den Reihen gesichtet wird, darf eine Person Platz nehmen. 35 sind es an diesem Sonntag.
Den Sonntag Rogate neu entdeckt
Dann beginnt der Gottesdienst, mit einigen liturgischen Veränderungen. Und die Steinmann-Orgel hat es soeben noch geschafft, sie ertönt nun besonders strahlend in neu gestimmtem Klang. Pfarrer Schönberg geht in seiner Predigt darauf ein, dass Corona auch eine Einladung sei, Neues zu entdecken, zum Beispiel das, wofür der Sonntag Rogate stehe, das Beten: „Vielleicht ist Beten eine Art Himmelfahrt im Geiste. Vater unser im Himmel, wer das sagt, der sieht ihn kommen.“
Mit einem schönen Orgelnachspiel geht dieser denkwürdige Gottesdienst in der Kirche in Heßler zu Ende. Eine Besucherin fasst schließlich das zusammen, was wohl viele heute empfunden haben: „Ungewohnt, trotzdem schön, dass man wieder zusammen kam. Aber sonderbar, man freut sich, sich zu sehen, aber die Nähe, die fehlt!“