Zwei Seiten derselben Medaille

Diakoniewerk und Gemeinde gestalteten den Diakonie-Sonntag gemeinsam

In seiner Pantomime visualisierte Schauspieler Thomas Brunow „die müde Füße und wankenden Knie“ und stellte die Hoffnung auf „sichere Schritte“ dar. PHOTO: CORNELIA FISCHER

In seiner Pantomime visualisierte Schauspieler Thomas Brunow „die müde Füße und wankenden Knie“ und stellte die Hoffnung auf „sichere Schritte“ dar.

Der integrative Werkstattchor der Diakonie Recklinghausen gestaltete den Gottesdienst mit. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

Der integrative Werkstattchor der Diakonie Recklinghausen gestaltete den Gottesdienst mit. PHOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Unter dem biblischen Leitwort aus dem Hebräerbrief „Darum stärkt die müden Füße und die wankenden Knie und macht sichere Schritte mit euren Füßen“ stand der Diakonie-Sonntag, den das Diakoniewerk Gelsenkirchen und Wattenscheid e.V. gemeinsam mit der Evangelischen Trinitatis-Kirchengemeinde Buer am 4. September in der Apostelkirche gestaltet hat. Mit einem gemeinsamen Gottesdienst und einer anschließenden Veranstaltung im Gemeindehaus wurde in unterschiedlichster Weise das Spannungsfeld zwischen ehrenamtlicher und verfasster Diakonie thematisiert.

Auf Initiative des Diakoniepfarrers Ernst Udo Metz konnten die Mitglieder des Diakonieausschusses, unter der Leitung von Pfarrer Matthias Siebold, für diese eigentlich selbstverständliche und doch ungewöhnliche Kooperation gewonnen werden. Ungewöhnlich, weil die Veranstaltungsform mit kreativen Mitmach-Stopps, Workshops zur Selbsterkundung und einem Speed-Dating eine neuartige Veranstaltungsform war; selbstverständlich, weil ehrenamtliche und unternehmerische Diakonie zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. „Beide diakonischen Handlungsformen haben die gleichen Wurzeln und die gleiche Ausrichtung: Wir wollen unseren biblischen Auftrag, den Nächsten zu lieben, umsetzen. Uns unterscheidet, dass wir in unterschiedlichen Systemen und damit unter verschiedenen Rahmenbedingungen arbeiten“, erläutert Pfarrer Metz, Theologischer Vorstand des Diakoniewerkes, die Hintergründe.


Aus einem Funken ein Feuer entfachen

Rund 200 Gottesdienstbesucherinnen und -besucher zeigten ebenfalls großes Interesse für dieses Spannungsfeld. In einer Dialogpredigt, die Pfarrer Metz gemeinsam mit Prof. Dr. Beate Hofmann vom Institut für Diakoniewissenschaften und Diakoniemanagement der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel hielt, thematisierten die beiden Theologen die Kraft- und Mutlosigkeit angesichts bedrängender Herausforderungen, gerade auch unter Christen, die sich bemühen, engagiert und verantwortlich aus ihrem Glauben heraus zu leben. Der Schauspieler Thomas Brunow setzte die Worte des biblischen Leitverses in einer Pantomime um. Er visualisierte eindrucksvoll „die müde Füße und wankenden Knie“ und stellte die Hoffnung und Perspektive auf „sichere Schritte“ bemerkenswert eindringlich dar.

Dr. Hofmann beschrieb ihre Erfahrungen mit Mitarbeitenden im Ehrenamt und in der verfassten Diakonie und empfahl im Dreischritt: 1. Klar zu benennen, was belastet und zu analysieren, was die Ursache ist und wie es sich ändern lässt. 2. Kraft zu schöpfen aus der Erfahrung von Sinn und Dankbarkeit, die Helfenden in der Arbeit - vor allem in der Pflege – entgegengebracht wird und 3. Die Kunst der Pause zu pflegen. Trotz aller Mühsal sei der Gemeinde ein Funken inne, der zu einem Feuer entfacht werden kann, betonte der Diakoniepfarrer und resümierte: „Das allerdings soll uns dann regelrecht anfeuern, begeistern zu Engagement und Einsatz für die, die übersehen zu werden drohen oder vernachlässigt oder gar benachteiligt.“ Viel Begeisterung zeigte schon im Gottesdienst der integrative Werkstattchor der Diakonie Recklinghausen, der schwungvoll mit seinen Liedern zur gemeinschaftlich-verbundenen Stimmung beitrug.


Speed-Dating für’s Ehrenamt

Nach dem Gottesdienst begann das Programm im Gemeindehaus, wo die Kirchenmusikerin Martina Wronski und ihr Quartett „Takt-Art“ die hereinströmenden Besucherinnen und Besucher mit Akkordeon-Musik begrüßten. Mitmach-Stopps zur Selbsterkundung hatte Pfarrer Metz angekündigt, und so besuchten die interessierten Gäste Stände, an denen sie ihre diakonischen Kompetenzen herausfinden konnten, sich über Demenzbegleitung informieren oder sich mit dem Thema Hilfebedarf und Akzeptanz in Form von Statements zur Armut auseinandersetzen konnten. Es gab die Gelegenheit, Lob und Kritik oder eigene Ideen zu Diakonie und Gemeinde zu äußern, oder sich an einem Workshop zur gelingenden Gesprächsführung zu beteiligen.

Beim Speed-Dating warben bestehende Projekte von Ehrenamtlichen um neue Unterstützer: Das Team um die Heiligabendfeier für Alleinstehende, der Help-Laden und das Café Kontakt aus der Flüchtlingshilfe, das Demenz-Café, der Eine-Welt-Laden und die Grünen Damen und Herren aus den Evangelischen Kliniken.


Eintausend Euro für Supervision

Eine besondere Verdichtung fanden die Impulse in der Podiumsdiskussion zum Thema: Wie sieht eine diakonische Partnerschaft zwischen Gemeinde und Diakoniewerk aus? Neben Prof. Hofmann nahmen auch Stefan Paßfeld, Leiter des Wichernhauses, der neue Superintendent des Kirchenkreises Pfarrer Heiner Montanus und die Diakoniepresbyterin Regine Rudat-Krebs an der Diskussion teil. Sie alle waren als Vertreter unterschiedliche Positionen geladen und stellten diese kontrastreich in ihren Wortbeiträgen dar. Zum Abschluss stellte Moderator Metz die entscheidende Frage: „Wie würden Sie 1.000 Euro in ihrer Arbeit verwenden?“ Breite Zustimmung des gesamten Publikums fand die Antwort der Diakoniepresbyterin: „Ehrenamtliche engagieren sich mit viel Kraft, Begeisterung und Zeit. Das gibt einem auch viel und trägt. Aber viele engagieren sich über ihre Belastungsgrenze hinaus und dann ist keiner da, der sie auffängt. Ich würde daher mit dem Geld Supervision für Ehrenamtliche finanzieren wollen, denn diese engagierten Menschen brauchen ebenfalls Zuspruch und jemanden, der ihnen zuhört und sie stärkt.“

Die Resonanz auf diese Veranstaltung motiviert den Theologischen Vorstand, auch im nächsten Jahr den Diakonie-Sonntag in Kooperation mit den Gemeinden zu feiern: „Wir gehören zusammen und können beide voneinander lernen. Denn Diakonie kommt den Menschen nahe und legt Hand an – in den Gemeinden und in der Unternehmensdiakonie.“