Verpflichtung zur Gastfreundschaft

Schneller Einsatz für Flüchtlinge in Gelsenkirchen-Scholven

Die Verantwortlichen stellten sich im Gemeindezentrum der Adventskirche den Fragen der Bürgerinnen und Bürger. Pfarrer Matthias Siebold (links) lobte die Unterstützung der Gelsenkirchener für die in Scholven eingetroffenen Flüchtlinge. FOTO: CO

GELSENKIRCHEN – Es vergeht kein Tag ohne neue Meldungen über Übergriffe auf Menschen, die hoffen, nach monatelanger Flucht endlich ein Leben in Frieden leben zu dürfen. Verübt durch einen fremdenfeindlichen Mob, der in den Berichterstattungen den neutralen Begriff „Asylkritiker“ trägt: Demonstrationen vor Asylbewerberheimen, Flüchtlinge werden auf offener Straße angegriffen und auf ihre Unterkünfte werden Brandanschläge verübt. Diese Vorfälle haben nichts mit Kritik zu tun. Und sie soll es in Gelsenkirchen nicht geben. Nachdem im Norden der Stadt innerhalb weniger Stunden eine Erstaufnahmestelle bereitgestellt wurde, fand für die Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils Scholven am 23. Juli ein Informationsabend statt.
„Sie dürfen sich alle einmal selbst auf die Schulter klopfen“, sagte Pfarrer Matthias Siebold anerkennend. Angesprochen fühlen durften sich alle diejenigen, die mit ihrem Mitgefühl und Engagement den raschen Aufbau der Unterkunft für Flüchtlinge unterstützten.
 
Große Hilfsbereitschaft in Scholven

Am 20. Juli ereilte die Stadt Gelsenkirchen die Bitte der Bezirksregierung Münster, kurzfristig eine Unterkunft für Asylsuchende bereitzustellen. Innerhalb kurzer Zeit stand das Nötigste in der ehemaligen Hauptschule an der Mehringstraße in Scholven bereit, um am Abend die aus der Erstaufnahme in Dortmund verlegten Menschen zu empfangen. Die Zuweisung der mehrheitlich aus Nah-Ost-Krisenregionen stammenden 150 Menschen, unter ihnen 20 Kinder, hatte Stadt sowie Anwohner überrascht. Der Infoabend im Gemeindehaus der evangelischen Adventskirche gab den Anwesenden einen Überblick über die Situation: Vertreter der verantwortlichen Beteiligten, u.a. Ordnungsamt, Präventionsrat Scholven, Polizei und der evangelischen Trinitatis-Kirchengemeinde sowie der katholischen Gemeinde St. Josef, stellten sich als Ansprechpersonen zur Verfügung.
Michael Graw, Leiter des Referats Soziales der Stadt Gelsenkirchen, lobte die große Hilfsbereitschaft der Scholvener: „Das zeigt, dass Sie Anteil am Schicksal dieser Menschen nehmen.“ Zahlreiche Sachspenden wie Kinderspielzeug, Kleidung und Hygieneartikel trafen aus der Bevölkerung ein. Frank Hutmacher, Abteilungsleiter des Referats für Recht und Ordnung, erklärte die Sicherheitslage der Unterkunft. Ein Sicherheitsdienst sei vor Ort und die Lage sei trotz der anfänglich provisorischen Situation sehr harmonisch. Er wies die Bürgerinnen und Bürger an, von gut gemeinten Besuchen der Unterkunft abzusehen, da sie ein Sicherheitsproblem darstellen: „Außerdem sollen sich die Menschen dort nicht vorkommen, als würden sie besichtigt werden!“

Keine Demonstrationen dulden

Neben zahlreichen hilfsbereiten Angeboten von Anwohnern kamen auch kritische Fragen auf, beispielsweise nach der voraussichtlichen Dauer der Unterkunft. Ob diese für einige Wochen oder angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen darüber hinaus bestehen wird, stehe noch nicht fest. Der Zwischenruf: "Und was, wenn meine Tochter vergewaltigt wird?" sorgte für Tumult unter den Anwesenden. „Wir werden hier keine Demos vor der Unterkunft dulden, die signalisiert: ‚haut ab‘!“, entgegnete Pfarrer Siebold entschlossen den einzelnen Stimmen, die zeigten, dass trotz der Welle der Hilfsbereitschaft auch Vorurteile und Ängste gegenüber Asylsuchenden bestehen. Siebold regte an, sich in die Perspektive der Flüchtlinge hineinzuversetzen, und sich selbst zu fragen: Was wäre, wenn ich in dieser Situation wäre? „Wir haben die Verpflichtung, diese Menschen zu versorgen. Bitte halten Sie Ihre Gastfreundschaft aufrecht“, ergänzte Hutmacher den Appell an die Anwesenden, „denn diese Menschen sind für die Hilfe sehr dankbar und glücklich!“

Die kurzfristige Unterbringung in Scholven war durch die schnelle Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes möglich, das die notwendigen Feldbetten und Sitzmöbel bereitstellte. Mit der Freiwilligen Feuerwehr wurde die Schule in wenigen Stunden eingerichtet und die Erstversorgung sichergestellt. Die Betreuung der Menschen wurde durch das Referat Soziales gewährleistet und die medizinische Versorgung durch Mitarbeiter des Referats Gesundheitsamt geleistet. Unterstützt wurde die Aktion durch die Gelsenkirchener Polizei und den kommunalen Ordnungsdienst.