Stimmung in die Kampagne

„Armut hält uns Kinder klein. Ihr müsst voll dagegen sein. Und legt Ihr richtig los, dann werden wir ganz groß“, sangen die Kinder und streckten ihre Arme in die Höhe. Der wohl größte Kinderchor, der je in Gelsenkirchen aufgetreten ist, passt gar nicht auf das Foto. Auf den Stufen der Altstadtkirche standen etwa 350 Kinder, die das Lied zur Kinderarmutskampagne „Lasst uns nicht hängen!“ am 3. Juni uraufgeführt haben. FOTO: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN - Aus der Perspektive der Kinder ist das Motto der Kampagne gegen Kinderarmut formuliert. „Lasst uns nicht hängen!“ – sagt die Evangelische Kirche von Westfalen? Nein, eigentlich rufen das die Kinder! Die Kampagne wird dort lebendig und erlebbar, wo die Kinder selbst aktiv werden, ihre Stimmen erheben und Stimmung machen.

So jedenfalls denkt sich das Katharina Blätgen, Pfarrerin und Kommunikationswirtin im Öffentlichkeitsreferat des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid. Kinderstimmen, Stimmung machen, das geht ganz schnell, wenn Kinder gemeinsam singen. Und da das Material zur Kampagne viele gute Ideen liefert, aber kein Kinderlied, hat sie selbst eines gedichtet. „Ich habe ein kurzes Versmaß gewählt, damit es nicht zu kompliziert wird“, sagte Blätgen. „Als Sängerinnen und Sänger hatte ich dabei Kindergartenkinder vor Augen – und die können noch nicht lesen, müssen also den ganzen Text auswendig lernen.“

Die Strophen orientieren sich an den Themen der Kampagne gegen Kinderarmut: Bildung, Kleidung, Ernährung, Gesundheit. Kinderbücher (Lisa braucht ein neues Buch) sind teuer und Sprachförderung (Erkan fällt das Sprechen schwer) ist nicht umsonst zu haben. „Unsere Kindergärten tun ganz viel, um die Kinder rechtzeitig zu fördern“, weiß Blätgen aus der Pressearbeit zu den Förderprogrammen, „und ich bin immer wieder beeindruckt davon, mit welchem Einsatz die Erzieherinnen dabei sind.“ Das gilt auch für das Einleben in die Welt der Zahlen (Lars zählt immer nur bis neun) – doch jedes Förderprogramm kostet (auch) Geld und manche Kinder brauchen noch zusätzlich gezielte Einzelförderung.

Gesundheit (Philipp lebt nicht sehr gesund) und Ernährung (Hanna kriegt kein Mittagsmahl) sind wichtige Themen im Alltag der Evangelischen Kindergärten in Gelsenkirchen und Wattenscheid. „Manche Leiterin muss schon in der Kirche mit der Spendendose klappern, weil zu viele Eltern den Beitrag für die gemeinsamen Mahlzeiten nicht aufbringen können.“ Zum Recht auf angemessene Kleidung (Simons Schuhe sind schon alt) sind die Schalker Kindergärten bereits im November 2008 aktiv geworden und haben Kinderkleidung für die Gelsenkirchener Tafel gesammelt.

Aus dem Alltag in der ärmsten Stadt Westdeutschlands stammen demnach die Strophen des Kampagnen-Liedes. Doch damit aus einem Text ein Lied wird, muss Musik hinein. Andreas Fröhling, der Kantor des Kirchenkreises, hat sich hier so richtig ins Zeug gelegt und eine beschwingte Melodie gezaubert. „Die macht aus dem Lied einen Schlager“, ist sich Blätgen sicher.

Am 3. Juni 2009 trafen sich alle Kinder der Kindergärten des Kirchenkreises. Ein riesiger Kinderchor trug „Lasst uns nicht hängen“ öffentlich vor.