Lasst mich doch weinen, Martinus

Anschauliche Zeitreisen im Gottesdienst zum Reformationsfest

„Katharina schafft wie drei Mannsbilder.“ Beim Reformationsgottesdienst schlüpfte Ulrike Brockerhoff in die Rolle der Hebamme Johanna von Siebel. PHOTO: CORNELIA FISCHER

„Katharina schafft wie drei Mannsbilder.“ Beim Reformationsgottesdienst schlüpfte Ulrike Brockerhoff in die Rolle der Hebamme Johanna von Siebel. PHOTO: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Sie war nur 8 Monate auf der Welt: Elisabeth Luther wurde am 10. Dezember 1527 in Wittenberg geboren und starb dort am 3. August 1528. Wie ihre Eltern mit dem frühen Tod ihres zweiten Kindes umgingen, davon erzählte die Hebamme der Katharina von Bora: „Der Herr Professor Luther sorgt sich sehr um seine Katharina, aber dieser kluge und gelehrte Mann weiß nicht so recht mit ihrem Gram umzugehen. Als Katharina in großer Trauer um den Tod ihrer kleinen Tochter weinte und er, ganz hilflos, nicht wusste sie zu trösten, hörte ich sie zu ihrem Manne sagen: ‚Lasst mich doch weinen Martinus! Weinen ist besser als hadern. Gott hatte uns Elisabeth gegeben und er hat sie uns wieder genommen. Er hat uns die Tränen gegeben, in denen löst sich der Hader. Ich beuge mich, und ich richte mich auch wieder auf.‘“

In der Rolle der Hebamme Johanna von Siebel ließ Schauspielerin Ulrike Brockerhoff das Leben der Luthers lebendig werden. Das geschah im Gottesdienst zum Reformationsfest in der ältesten Kirche Gelsenkirchens, der Bleckkirche an der Zoom-Erlebniswelt.

Von der Trauer erzählte die Hebamme ebenso wie von der Gastfreundschaft im Hause des Reformators: „Zuweilen trifft man dort bis zu 60 Gäste, darunter viele Schüler und Studenten, die andachtsvoll jedem Wort des Herrn Martinus lauschen und auch alle versorgt werden wollen.“ Viel Arbeit für Katharina, die dem Hause vorsteht und sich darum kümmert, dass die notwendige Arbeit getan wird: „Ständig ruft jemand, fragt jemand, will jemand etwas von Frau Katharina.“ Und von den gelehrten Diskussionen: „Die Frau Luther enthält sich nicht ihrer Beiträge, wenn die Herren Studiosi mit dem Doktor debattieren und dies können die Mannsbilder nicht leiden.“

Gut besucht war die Bleckkirche an diesem Abend des 31.10. Rund 80 Menschen waren der Einladung der Apostel-Kirchengemeinde gefolgt. Superintendent Heiner Montanus gestaltete seine Festpredigt ebenfalls ganz anschaulich. Bei ihm ging es um die Wurst. Frühjahr 1522: Skandal in Zürich! In der Fastenzeit ist Fleisch streng verboten – doch der Schweizer Reformator Huldrych Zwingli nimmt an einem Festessen teil, bei dem Wurst serviert wird. In seiner Rechtfertigung zitiert Zwingli aus dem Galaterbrief: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen.“ (Galater 5, 1)
[Zum Wortlaut der Festpredigt geht es hier.]

Bei Wein und Wasser tauschten sich Gemeinde und Mitwirkende anschließend aus. Pfarrerin Antje Röckemann freute sich über die positive Reaktionen: „Viele haben diesen Gottesdienst als lebendig, abwechslungsreich und anregend erlebt.“ Röckemann hatte gemeinsam mit Pfarrer Norbert Deka die Vorbereitung übernommen und bei der Liturgie mitgewirkt.