Gegen die Mauer des Schweigens

In einer Veranstaltungsreihe zum Thema Suizid geht es vor allem um die Trauer der Angehörigen

Jörg Awiszio ist Diakon in der Evangelischen Kirchengemeinde Buer-Beckhausen und Ansprechpartner für ältere Menschen in Krisen und ihre Angehörigen. FOTO: CORNELIA FISCHER

Jörg Awiszio ist Diakon in der Evangelischen Kirchengemeinde Buer-Beckhausen und Ansprechpartner für ältere Menschen in Krisen und ihre Angehörigen. FOTO: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Auf deutschen Straßen sterben jährlich etwa 5.000 Menschen. Darüber wird viel geredet. Noch vor kurzem gab es eine intensive Diskussion darüber, Tempo 30 in allen Städten vorzuschreiben, um die Gefahren des Straßenverkehrs zu reduzieren.

Etwa 9.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich durch Suizid. Darüber wird kaum gesprochen, höchstens dann, wenn es um einen allseits bekannten Menschen geht wie Robert Enke, den Torwart der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Seit dessen Suizid (2009) ist das Thema aus der öffentlichen Diskussion weitgehend verschwunden.

Doch für die Angehörigen, für die Freunde und Freundinnen jedes Menschen, der durch Suizid gestorben ist, wird es unendlich wichtig, dass dieses Thema nicht ‚totgeschwiegen‘ wird. Deshalb gibt es jetzt in Gelsenkirchen eine Veranstaltungsreihe zum Thema „Suizidalität“ mit einer Ausstellung, Vorträgen, Diskussionen und einem Theaterstück.

Bis zum 27. September ist in den Evangelischen Kliniken  die Ausstellung der Selbsthilfeorganisation „Agus e.V.“ zu sehen: Unter dem Titel „Suizid – keine Trauer wie jede andere. Gegen die Mauer des Schweigens“ stehen die Hinterbliebenen im Fokus. Denn nach einem Suizid trauern die Menschen anders. Auf einer der informativen und einfühlsam gestalteten Tafeln heißt es: „Selbsttötungen zerstören blitzartig einen Lebenszusammenhang, der bis dahin als normal empfunden wurde. Anders als bei einem Tod durch Unfall oder Krankheit stellt ein Suizid auch das gesamte bisherige Leben radikal in Frage. Das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Situationen richtig einzuschätzen und entsprechend zu reagieren, wird zutiefst erschüttert.“

Die Ausstellung ist rund um die Uhr kostenfrei im Kapellengang der Evangelischen Kliniken (Munckelstraße 27, 45879 GE-Mitte, Erdgeschoss) zu sehen.

„sich das Leben nehmen…“ lautet der Titel eines Diskussionsabends am Donnerstag, 13. September, um 18.30 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus (Florastraße 119, 45888 GE-Bulmke). Referent ist Hubert Edin, Theologe, Psychotherapeut und langjähriger Leiter der Krisenhilfe Münster. Es geht um die Wege in eine suizidale Krise hinein, welche Auswege es geben kann und um den Umgang mit Menschen in Krisen. Der Eintritt ist frei.

Am Samstag, 22. September, zeigt das Seniorentheater Dritte Halbzeit (Bochum) um 19.30 Uhr in der Christuskirche (Kleine Bergstraße 7, 45897 GE-Beckhausen) das Theaterstück „Kennst Du noch die Trümmerblumen?“ Sprachlosigkeit und das Unvermögen, Gefühle zum Ausdruck zu bringen, kann in schwere Krisen führen. In dem Stück geht es um die teilweise schrecklichen Erlebnisse der jetzt lebenden älteren Generation in der Zeit des Nationalsozialismus, des Krieges und der Vertreibungen. Aufarbeitung und psychologische Betreuung gab es für sie nicht, so dass vieles hinter einer Mauer des Schweigens versteckt blieb. Der Eintritt ist frei.

Veranstalter sind die Evangelischen Kliniken und das Projekt „Lebenslinien – Krisenbewältigung im Alter“, das von der Evangelischen Kirchengemeinde Buer-Beckhausen getragen wird. Projektleiter Jörg Awiszio weiß aus seiner Arbeit, dass gerade ältere Menschen in Lebenskrisen besonders gefährdet sind. „40 Prozent aller Suizids geschehen durch Menschen über 60 Jahren. Dabei stellt diese Altersgruppe derzeit nur 26 Prozent der Bevölkerung. Besonders häufig  sind Männer im Alter von etwa 80 Jahren von suizidalen Krisen betroffen.“ Hier will das Projekt „Lebenslinien“ mit Aufklärung, Beratung und konkreter Hilfe gegensteuern.

Projekt Lebenslinien, Jörg Awiszio, Kontakt: 0209 – 58 54 07