Feuer, das uns immer wieder antreibt

Die Kirchengemeinde Buer-Beckhausen feierte an fünf Tagen das 100-jährige Bestehen ihrer Christus-Kirche

Am Gründungstag der christlichen Kirche eröffnete Bachs Pfingst-Kantate die Jubiläumsveranstaltungen.

Am Gründungstag der christlichen Kirche eröffnete Bachs Pfingst-Kantate die Jubiläumsveranstaltungen.

Der ökumenische und integrative Chor der Gelsenkirchener Werkstätten unter Leitung von Dieter Lattek ergänzte den Pfingstmontags-Gottesdienst unter der Remise von Hof Holz.

Der ökumenische und integrative Chor der Gelsenkirchener Werkstätten unter Leitung von Dieter Lattek ergänzte den Pfingstmontags-Gottesdienst unter der Remise von Hof Holz.

Das Vokalensemble Lorica Vitae mit Andreas Fröhling (Klavier) und Christina Wienroth (Leitung) sang im Trinitatis-Gottesdienst zwei Stücke des englischen Komponisten John Rutter.

Das Vokalensemble Lorica Vitae mit Andreas Fröhling (Klavier) und Christina Wienroth (Leitung) sang im Trinitatis-Gottesdienst zwei Stücke des englischen Komponisten John Rutter.

100 Jahre – ein außergewöhnliches Jubiläum: Grund zum Feiern für Pfarrer Peter Michael Fischer, Pfarrerin Andrea Rylke-Voigt, Superintendent Rüdiger Höcker, Pfarrer Bernd Naumann und Oberbürgermeister Frank Baranowski (v. l.).

100 Jahre – ein außergewöhnliches Jubiläum: Grund zum Feiern für Pfarrer Peter Michael Fischer, Pfarrerin Andrea Rylke-Voigt, Superintendent Rüdiger Höcker, Pfarrer Bernd Naumann und Oberbürgermeister Frank Baranowski (v. l.).

Die Poetry Slammer Harald Landgraf (l.) und Rainer Wüst (r.) trugen zum Abschluss des Festaktes Gedichte und Erzählungen über Fußball und andere Themen vor.

Die Poetry Slammer Harald Landgraf (l.) und Rainer Wüst (r.) trugen zum Abschluss des Festaktes Gedichte und Erzählungen über Fußball und andere Themen vor.

Loblieder auf den Lebensraum Erde: Etwa 40 Sänger und eine Band – Oboe, Saxofon, Klavier, Cello, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Percussion – beschlossen mit Paul Winters MISSA GAIA die Veranstaltungsreihe. FOTOS: MAXIMILIAN WIESCHER

Loblieder auf den Lebensraum Erde: Etwa 40 Sänger und eine Band – Oboe, Saxofon, Klavier, Cello, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Percussion – beschlossen mit Paul Winters MISSA GAIA die Veranstaltungsreihe. FOTOS: MAXIMILIAN WIESCHER

GELSENKIRCHEN – Seit 1913 ist die Christus-Kirche an der Horster Straße das Herzstück der Gemeinde Buer-Beckhausen. Mit fünf Veranstaltungen feierte die Gemeinde dieses Jubiläum.

Den Auftakt bildete der Gottesdienst am Pfingstsonntag. Die etwa 120 Besucher hörten darin die Pfingstsonntags-Kantate von Johann Sebastian Bach: „O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe, entzünde die Herzen und weihe sie ein.“ Das Vokalensemble Lorica Vitae unter der Leitung von Beckhausens Kantorin Christina Wienroth wurde begleitet von dem 14-köpfigen Barockorchester Le Chardon, das von dem Flötisten Hajo Wienroth, Christina Wienroths Bruder, geleitet wurde. Christina Wienroth, Oliver van Beek und Dirk Baumeister sangen die Solo-Parts.

„Gottes Geist lässt sich schwer beschreiben oder gar begreifen.“ So begann Andrea Rylke-Voigt ihre Predigt nach der Kantate. „Vielleicht haben Sie etwas davon gespürt in der Musik, als er durch diese Kirche – ich möchte sagen – wehte.“ Sie verwies darauf, wie viel von dem „Feuer“, mit dem Gottes Geist gerne verglichen wird, die Menschen vor 100 Jahren gehabt haben müssen. „Gäbe es überhaupt noch christliche Gemeinden, wenn es nichts gäbe, was uns immer wieder antreibt? Würden wir einen 100. Geburtstag feiern können?“

Nach der Abendmahlsfeier wiederholten Chor und Orchester den Schlusschor der Kantate: „Friede über Israel! Dankt den höchsten Wunderhänden, Gott hat an euch gedacht! Ja, sein Segen wirkt mit Macht, Friede über euch zu senden.“ Mit Bachs bekanntem Choral „Jesus bleibet meine Freude“ beschlossen die Sänger den Gottesdienst.

Konzert-Matinee: Orchestersuiten von Bach

Nach einer kurzen Pause, in der sich die Besucher mit Sekt, Orangensaft und Laugenbrötchen bedienten, lud das Orchester Le Chardon zu einer Konzert-Matinee ein. Zuerst spielte es in einer kleinen Besetzung Johann Sebastian Bachs neunteilige Orchestersuite h-Moll. Hajo Wienroth spielte das Solo auf einer Querflöte Marke Eigenbau, die einem über 250 Jahre alten Instrument nachempfunden war. Nach dieser meist eher ruhig und gedeckt wirkenden Suite folgte die Suite D-Dur – wieder mit der vollen Orchesterbesetzung, wie die zuvor im Gottesdienst gespielte Kantate.

Hajo Wienroth gründete 1995 das Barockorchester Le Chardon. Dessen Besonderheit sind historische Instrumente: Holz-Querflöten, Streichinstrumente mit Darmsaiten, ventillose Trompeten und Pauken mit Naturfellen. „Es klingt nachdenklicher und ruhiger.“, erklärte Hajo Wienroth. Die Besetzung ist variabel und alle Mitglieder sind in anderen Orchestern in ganz Europa tätig. Am Pfingstsonntag bestand Le Chardon  aus deutschen, niederländischen und tschechischen Musikern.

Pfingstmontag auf Hof Holz: Warum feiern wir eigentlich Pfingsten?

Ganz andere Musik erklang einen Tag später auf Hof Holz: Der Chor der Gelsenkirchener Werkstätten ergänzte den Gottesdienst mit modernen christlichen Liedern. Andrea Rylke-Voigt und Helmut Barth begannen ihre Predigt mit der Frage, warum man eigentlich Pfingsten feiert: „Wenn einen die Kinder oder Enkel das fragen, antwortet man oft notdürftig: ‚weil Frühling ist, alles grün ist und die Sonne scheint‘. Aber heute scheint die Sonne nicht – ist dann immer noch Pfingsten?“

Die Predigt, die immer wieder von Strophen des Liedes „Unser Leben sei ein Fest“ unterbrochen wurde, vermittelte den Grundsatz, der die Menschen immer wieder antreibt: „Der Heilige Geist kommt zu mir. Aber der Heilige Geist ist in jedem Menschen.“ Rylke-Voigt erklärt dies anhand der Seniorenstube Schaffrath, die bis zu 70 Menschen jede Woche anzieht: „Ich denke, dass es so ein Ehrenamt nicht gäbe, wenn es nicht mehr gäbe als nur der Gedanke des Nehmens und Gebens – nämlich Gottes Geist.“

Am nächsten Wochenende setzte zunächst das C@fe-42, die Jugendarbeit der Gemeinde, die Jubiläumsveranstaltungen fort: Der Samstag gehörte dem dreieinhalbstündigen Jahresfinale des Poetry Slam. Vor über 50 Besuchern gewann Jan-Philipp Zymmy, der Vorjahressieger und amtierende deutsche Vizemeister. Die Plätze zwei und drei belegten Jay Nightwind und Harald Landgraf. Für die Musik sorgte Alex Amsterdam aus Düsseldorf.

Trinitatis: Festgottesdienst mit besonderen Gästen

Einen Tag später waren unter den etwa 130 Besuchern des Festgottesdienstes einige besondere Gäste, unter anderem Oberbürgermeister Frank Baranowski, Superintendent Rüdiger Höcker und Else Barke, die vor 99 Jahren in der Christuskirche getauft wurde. Bernd Naumanns Predigt in diesem Gottesdienst basierte auf demselben Text wie die erste Predigt in dieser Kirche von Pfarrer Peisker 1913: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ (Mt 4). Naumann spielte in seiner Predigt auf Frank Baranowski an, dessen Stadtverwaltung in diesem Jahr in das renovierte Hans-Sachs-Haus umziehen soll: „Stellen Sie sich vor, bei der Einweihung des Hans-Sachs-Hauses fliegt ein großer Adler in den Saal und sagt: ‚Handelt so, dass es der Stadt gut geht, dann wird es euch auch gut gehen.‘“

Ehrenamt, Nachbarschaft und gemeinsame Herausforderungen

Baranowski, dessen Eltern in der Christuskirche heirateten, hielt nach dem Gottesdienst das erste Grußwort: „Kirche und Stadt stehen vor ähnlichen Aufgaben und das schweißt zusammen. Die Menschen werden älter, es gibt immer weniger von ihnen und unsere Finanzen werden auch knapper.“ Superintendent Rüdiger Höcker verwies in seinem Grußwort auf seinen Konfirmationsspruch, der auch in der Gründungsurkunde der Kirche steht – er gleicht nämlich dem ersten Predigttext von 1913.

Danach waren Beckhausens Nachbargemeinden am Zug: Pfarrer Ernst-Udo Metz aus Horst überreichte Bernd Naumann einen mit einer Sonnenblume und einem Papier-Windrad dekorierten Pfahl eines Gartenzauns. „In einer guten Nachbarschaft ist der Zaun keine Grenze, sondern ein Treffpunkt.“ In Zukunft wird die Kirchenmusik ein Treffpunkt beider Gemeinden sein, denn sie wird für Beckhausen und Horst zusammen organisiert. Pfarrerin Karla Wessel aus der Trinitatis-Gemeinde betonte die Außergewöhnlichkeit eines 100. Kirchenjubiläums, denn Beckhausen und Trinitatis haben Erfahrungen mit Gebäudeschließungen.

„Dankbar, dass es die Kirche als Ort gelebten Glaubens noch gibt“, äußerte sich auch Kirchmeister Klaus Stegmann. „Kein Problem wird gelöst, wenn wir träge darauf warten, dass Gott sich allein darum kümmert.“ Mit diesem Zitat von Martin Luther King bedankte Stegmann sich bei allen, die nach ihren Möglichkeiten ehrenamtlich in der Gemeinde tätig sind. Nach dem anschließenden Mittagessen zeigten vier Videoprojektoren in der Kirche Fotos und Zeichnungen aus der Geschichte der Gemeinde.

MISSA GAIA: Loblieder auf den Lebensraum Erde, frei nach Franz von Assisi

Ein außergewöhnlicher Gottesdienst bildete an Fronleichnam den Abschluss der Veranstaltungsreihe: die Aufführung der MISSA GAIA  des Jazz-Komponisten Paul Winter. Eine achtköpfige Band begleitete einen Chor, der aus der Beckhausener Kantorei, dem Gospelchor Lightwalk, dem Chor Lorica Vitae und einem Projektchor zusammengesetzt war. Nach dem ersten gemeinsamen Lied begrüßte Pfarrer Bernd Naumann die etwa 140 Besucher: „Ich glaube, die Kirche war Fronleichnam noch nie so voll.“

Die Sätze der MISSA GAIA wurden mehrmals durch per CD-Player eingespielte Tierstimmen ergänzt, die die Vielfalt von Gottes Schöpfung widerspiegelten und feierten. Die Musik enthielt Anklänge an Musikstile der ganzen Welt – von Gregorianik über Gospel bis hin zu Samba. Zwischen den Sätzen der Messe brachte Pfarrer Dr. Klaus Hoffmann Gedanken zum Thema ein: „Wir sollen die Erde bebauen und bewahren. Das Paradies ist nicht das Schlaraffenland, sondern ein menschlicher Arbeitsplatz. Mesopotamien – im Irak zwischen Euphrat und Tigris. Ein Blick in den heutigen Irak zeigt, wie wenig wir diesem Auftrag gerecht werden.“

Mit dem Schlusssatz „Let us depart in peace“ („Lasst uns in Frieden gehen“) verabschiedeten Chor und Band die Besucher.