Das Recht des Kindes auf Religion

Die Stadt Gelsenkirchen und der Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid haben die Erfahrungen ihres Gemeinschaftsprojekts präsentiert

Kinder haben viele Fragen: Das Modellprojekt greift die religiöse und kulturelle Vielfalt auf. FOTO: epd-bild/Thomas Rohnke

GELSENKIRCHEN – „Wir haben die Zeichen der Zeit schon früh erkannt“, sagte Superintendent Rüdiger Höcker, als im Dezember die Dokumentation des Projekts ‚Religiöse Bildung in städtischen Tageseinrichtungen‘ von Vertretern der Stadt Gelsenkirchen, des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid sowie der städtischen Kindergärten vorgestellt wurde. Das Projekt startete 2007 mit der Entwicklung eines Konzepts, um der kulturellen und religiösen Vielfalt der Kinder im Kita-Alltag Raum zu geben. Zwölf städtische Kitas beteiligten sich und die Erfahrungen liegen nun in Form einer Broschüre vor: Sie dokumentiert, wie in Zusammenarbeit von Stadt und Kirche ein friedliches und achtsames Zusammenleben gefördert werden kann. Höcker verwies auf den Ausgangspunkt des Projekts: „Unsere Kindergärten sind eine frühe Abbildung unserer vielfältigen Gesellschaft. Wir wissen wie wichtig frühkindliche Erziehung und Bildung ist und der Auftrag aller Kindergärten lautet, auf ein Leben vorzubereiten, das für alle Platz hat.“

Nicht aus dem Bauch heraus reagieren lassen

Wenn unterschiedliche Ansichten und Lebensstile aufeinandertreffen, ist für Kinder so manche Gewohnheit fremd. Wie erklärt man 5-jährigen was der Tod ist? Worin liegen die Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten der Religionen? Wie lautet die kindgerechte Antwort auf die Frage: „In der Moschee mussten wir uns die Schuhe ausziehen, warum tun wir das in der Kirche nicht?“ Dazu sagte Bildungsdezernent Dr. Manfred Beck: „Wenn Fragen der Wertevermittlung und des Glaubens an Kindertageseinrichtungen herangetragen werden, ist es wichtig, dieses Thema professionell anzugehen und die Fachkräfte nicht aus dem Bauch heraus reagieren zu lassen.“ Mit der Zusammenarbeit an diesem Projekt habe die Stadt Gelsenkirchen als Träger von Tageseinrichtungen es gewagt, einen neuen Bildungsbereich zu betreten.

Kindern etwas mit auf den Weg geben

Die Situation von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte kann Nazile Batur, Leiterin der Kita Lahrshof, gut nachvollziehen. Als Tochter einer Gastarbeiterfamilie bringt sie ihre eigenen Migrationserfahrungen in ihre Arbeit mit ein. Sie erinnerte sich gut an ihren ersten Besuch in einer Kirche: „Für mich, als Kind, war sie dunkel, groß und unheimlich – ich habe mich gefragt, ob ich überhaupt hineingehen darf. Anderen Kindern geht es heute genauso.“ Die Aufgabe von Erwachsenen sei, die Ängste der Kinder ernst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass sie anderen Kulturen und Religionen mit Offenheit begegnen und Unterschiede respektieren. Inwiefern sich durch die Initiierung des Projekts Türen geöffnet haben, wussten Eltern von Kindergartenkindern zu berichten. „Das Miteinander ist dadurch stärker geworden. Wir verabreden uns mit anderen Eltern, feiern das Zuckerfest gemeinsam oder gehen zusammen zum Sankt-Martins-Umzug“, berichtete eine Mutter. Eine weitere fügte hinzu: „Ich möchte meinen Kindern etwas wichtiges mit auf den Weg geben, für später, wenn sie auf die Grundschule gehen. Die Kinder leben mehrere Jahre miteinander und lernen voneinander.“

Religionen erfahrbar machen

Ziel des Projekts war nicht nur, das Gemeinschaftsgefühl zu fördern, sondern gleichzeitig das Recht der Kinder auf religiöse Bildung zu stärken, angeregt durch die Kinderrechtskonventionen der Vereinten Nationen. Bislang wurde in städtischen Einrichtungen eine weltanschauliche Neutralität gewahrt. Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels wurde jedoch deutlich, wie wichtig es ist, sich dem Thema zu stellen und einen Paradigmenwechsel einzuläuten. Wesentlicher Bestandteil des Projekts ist, die Eltern zu informieren und einzubeziehen. Die Angebote umfassen u.a. Elternabende, Fortbildungen für die Fachkräfte und Religionen durch Besuche anderer Gotteshäuser und gemeinsames Feiern religiöser Feste erfahrbar zu machen. Alfons Wissmann, Betriebsleiter der Gelsenkirchener Kindertagesbetreuung hofft auf den nachhaltigen Effekt: „Das Projekt gilt zwar als abgeschlossen, aber es bleibt zu wünschen, dass es nicht auf 12 Einrichtungen begrenzt bleibt!“ Die Initiatoren des Projekts sind sich einstimmig sicher: Die gesammelten Erfahrungen lassen sich auf andere Einrichtungen übertragen.

Hier gelangen Sie zum Download der Dokumentation "Religiöse Bildung in Städtischen Tageseinrichtungen für Kinder"