Aus Erinnerung erwächst Verpflichtung

Vor zehn Jahren besetzten Bergleute die Apostelkirche in Buer

Zogen vor zehn Jahren an einem Strang: Klaus Herzmanatus, damaliger Betriebsratsvorsitzender der Zeche Hugo, und Industrie- und Sozialpfarrer Dieter Heisig. FOTO: CORNELIA FISCHER

 

GELSENKIRCHEN – Genau zehn Jahre ist es her, dass Industrie- und Sozialpfarrer Dieter Heisig den Betriebsrat der Zeche Hugo besucht hat, um sich die Sorgen der Bergleute um ihren Arbeitsplatz anzuhören und mit ihnen gemeinsam Aktionen für den Erhalt des Bergwerks zu planen. „Plötzlich kam aus der Runde der Vorschlag, die Apostelkirche in Buer zu besetzen“, erinnerte sich Heisig. „Und ich habe damals gelernt, dass die Kumpels meinten, was sie sagten, und nicht lange fackelten, wenn es um die tatsächliche Umsetzung ging“, sagte er.

Was sich aus dieser ersten Idee der Kirchenbesetzung entwickelte, ist für Heisig bis heute ein Wunder. „Ich stimmte dem Ansinnen der Kumpels zu und bot an, eine Andacht im Altarraum zu gestalten“, erinnerte er sich. „15 Stühle haben wir aufgestellt, die haben schon am ersten Abend nicht ausgereicht.“ Von nun an hielten die Bergleute die Kirche 33 Tage lang besetzt – rund um die Uhr zeugte ein ständiges Feuer vor der Eingangstür davon, wie sich die Kirche in Gelsenkirchen gemeinsam mit den Bergleuten für deren Zukunft einsetzte. „Jeden Abend sind mehr gekommen; vor der Kirche versammelten sich täglich hunderte Menschen“, erzählte Heisig. „Jeden Abend feierten wir einen Gottesdienst, an dem sich die Bergleute mit Gebeten oder Lesungen aktiv beteiligten.“

Zum „Jubiläum“ der Mahnwache trafen sich mehr als 100 Männer und Frauen in der Apostelkirche. „Wenn ich in die Gesichter sehe, bin ich mir sicher, dass etliche von Euch schon vor zehn Jahren dabei waren“, sagte Dieter Heisig in seiner Ansprache. Anschließend machte er deutlich, dass die Erinnerung an den Arbeitskampf vor zehn Jahren nicht der Nostalgiepflege diene, sondern weiterhin dazu verpflichte, die Benachteiligten der Gesellschaft zu unterstützen.

So steht das Industrie- und Sozialpfarramt des Kirchenkreises heute an der Seite der Hartz IV-Betroffenen, um mit ihnen gemeinsam auf die entwürdigende Situation von Erwerbslosigkeit aufmerksam zu machen. „Das ist die gute Tradition einer ‚Kirche der Solidarität’“, sagte Heisig und nannte damit den Titel, den die Bergleute der Apostelkirche im Frühjahr 1997 im Anschluss an die Mahnwache verliehen haben. AR